Meinung Erdogan - Der schwierige Gast

Berlin · Erdogan braucht das Geld der EU. Schon diese Konstellation hätte es Angela Merkel erlaubt, viel bestimmter gegenüber Erdogan aufzutreten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) nimmt mit Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, im Bundeskanzleramt an einer gemeinsamen Pressekonferenz Teil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) nimmt mit Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, im Bundeskanzleramt an einer gemeinsamen Pressekonferenz Teil.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Einen ausländischen Staats- oder Regierungschef kann man sich nicht aussuchen. Man muss sie zunächst nehmen, wie sie sind. Ansonsten erübrigt sich nämlich jede Diplomatie. Das gilt auch für Recep Tayyip Erdogan. Nüchtern betrachtet steckt der in einer ziemlich unbequemen Lage. Zuletzt wurde immer deutlicher, dass er Hilfe braucht. Weil ein unberechenbarer US-Präsident auch ihm das Leben schwer macht.

Aber vor allem, weil es mit der türkischen Wirtschaft stark bergab geht. Vor diesem Hintergrund könnte Erdogan auch gar nicht mehr mit einer Kündigung des Flüchtlingsabkommens drohen, das entscheidend dazu beiträgt, die Zahl der in Deutschland ankommenden Migranten einzudämmen. Erdogan braucht das Geld der EU, das die Türkei für den Deal bekommt. Schon diese Konstellation hätte es Angela Merkel erlaubt, viel bestimmter gegenüber Erdogan aufzutreten.

Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: k r o h n f o t o . d e

 Noch immer sind Tausende Erdogan-Kritiker in der Türkei in Haft. Selbst in Deutschland können sich türkische Dissidenten nicht sicher fühlen. Erdogans Spitzelapparat ist scheinbar überall. Und was macht die Kanzlerin? Sie kündigt an, dass ihr Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit großem Gefolge demnächst nach Ankara reisen wird. Ökonomische Interessen rangieren offenbar eben doch vor Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Das ist ein fataler Eindruck. Merkel hat dem türkischen Gast jedenfalls nichts Konkretes abgerungen, was diesen Eindruck zerstreuen könnte.

 Zweifellos haben Deutschland und die Türkei viele gemeinsame Interessen. In der Flüchtlingsfrage, im Kampf gegen den Terrorismus und als Nato-Partner. Auch die wirtschaftliche Verfasstheit der Türkei kann Berlin nicht egal sein. Schließlich leben in Deutschland gut drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Für eine wirkliche Normalität in den bilateralen Beziehungen werden noch viele Gespräche notwendig sein. Und endlich auch konkrete Taten von türkischer Seite.

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