Corona-Krawalle Ausschreitungen erschüttern die Niederlande und Belgien

In mehreren Städten Europas wird gegen Corona-Maßnahmen demonstriert - in den Niederlanden eskaliert die Lage. Ein kleiner Corona-Protest läuft aus dem Ruder: der Funke im Pulverfass.

 Steine und zersplitterte Flaschen liegen auf einer Straße, auf der Polizisten hinter einer Absperrung in Schutzkleidung stehen. Nach Polizeiangaben sind in Brüssel rund 35.000 Personen auf die Straße gegangen, um gegen die Coronamaßnahmen der Regierung zu demonstrieren. Bei Zusammenstößen musste die Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzen.

Steine und zersplitterte Flaschen liegen auf einer Straße, auf der Polizisten hinter einer Absperrung in Schutzkleidung stehen. Nach Polizeiangaben sind in Brüssel rund 35.000 Personen auf die Straße gegangen, um gegen die Coronamaßnahmen der Regierung zu demonstrieren. Bei Zusammenstößen musste die Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzen.

Foto: dpa/Hadrien Dure

Feuerwerkskörper explodieren, Autos stehen in Brand, Jugendliche schmeißen Steine auf Polizisten. Beamte verschanzen sich vor der Meute hinter Autos. Dann fallen Schüsse. Corona-Proteste führten in Rotterdam zu heftigen Straßenschlachten. Diese wirkten wie ein Funke im Pulverfass. In der folgenden Nacht zum Sonntag kam es zu Unruhen an mehreren Orten im Land. Bürger und Politik sind entsetzt. Justizminister Ferd Grapperhaus sprach von einer organisierten Attacke auf Einsatzkräfte. „Diese Gewalt vor allem gegen die Polizei hat in der Corona-Pandemie zugenommen“, sagte der Minister am Sonntag dem TV-Sender WNL.

Einen konkreten Anlass für Proteste gibt es in den Niederlanden dabei gar nicht. Bisher ist keine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen geplant. Anders ist das in Österreich, wo bereits ab diesen Montag ein allgemeiner Lockdown gilt. Rund 40 000 Menschen demonstrierten am Samstag in Wien dagegen - und es blieb weitgehend friedlich. Aber auch in Österreich befürchtet man eine weitere Radikalisierung der Gegner der Corona-Maßnahmen und mehr Gewalt.

In den Niederlanden ist die Stimmung bereits stark aufgeheizt. Die Gewaltwelle setzte Freitag ein, nachdem eine nicht angemeldete Protestdemo gegen Corona-Maßnahmen in Rotterdam total aus dem Ruder lief. Hunderte Randalierer zogen durch die Hafenstadt, legten Brände, griffen die Polizei mit Feuerwerk an. „Es war eine Orgie der Gewalt“, sagte Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb.

Am Tag danach sah man in der Innenstadt Spuren der Verwüstung: Ausgebrannte Autos, verkohlte Fahrräder und Mopeds, die Straßen übersäht mit Steinen und Glas. Die Polizei wurde nach Darstellung des Bürgermeisters so bedroht, dass Beamte sogar zur Schusswaffe griffen. Vorläufige Bilanz: mindestens sieben Verletzte, 51 Festnahmen.

Auf TV-Bildern ist zu sehen, wie Polizisten attackiert werden. Polizeiautos gehen in Flammen auf. Die Polizei gab nach eigener Darstellung erst Warnschüsse ab und schoss dann auch gezielt auf Menschen. Mit einer derart großen Meute habe man nicht gerechnet, sagt der Rotterdamer Polizeichef Fred Westerbeke im TV-Sender NOS. „Dies sind für mich Kriminelle, die versucht haben, meine Polizeileute zu verletzen oder sogar zu töten.“ Die Justiz untersucht nun den Waffeneinsatz der Polizei.

Politiker äußerten sich entsetzt, Bürger reagierten empört. „Das hat nichts mit Demonstrieren zu tun“, schimpfte eine Frau im niederländischen Fernsehen. Ein Mann nannte die Randalierer „Abschaum“.

Am Samstag kursierten in den sozialen Netzwerken Aufrufe zu Krawallen im ganzen Land. Und tatsächlich: Randalierer zogen in der Nacht zum Sonntag durch mehrere Städte. Rund 30 Personen wurden nach Angaben der Polizei festgenommen, die meisten in Den Haag. Dort wurden die Mobile Einheit der Polizei sowie Hunde und Pferde eingesetzt. Fünf Beamte seien verletzt worden, teilte die Polizei mit.

Die Polarisierung habe zugenommen, sagte Justizminister Grapperhaus. Corona-Proteste würden von gewaltbereiten Gruppen missbraucht. „Die Polizei wird dargestellt als Verlängerung des Staates, und der muss angegriffen werden.“ Bereits im Januar hatte es heftige Krawalle gegeben, nach dem eine Ausgangssperre verhängt worden war.

Auch in Österreich warnt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) vor mehr Gewalt. Er nannte einen Brandanschlag auf ein Polizeiauto in Linz als Beispiel. Zwei Tatverdächtige hätten zugegeben, dass sie dabei die beiden Polizisten, die sie zuvor kontrolliert hätten, töten wollten. „Das ist ein Ausmaß an Radikalisierung, das in keiner Weise hinnehmbar ist.“

In Wien hatten die meisten zwar friedlich demonstriert. Doch hätten auch „altbekannte Neonazis und Vertreter der neuen rechtsextremen Szene“ versucht, die Stimmung aufzuheizen, sagte Nehammer. Bei der Kundgebung hatten Menschen immer wieder „Freiheit“ gerufen. „Die Stimmung ist aufgeheizt“, sagte ein Polizeisprecher. Ab Montag gelten in Österreich Ausgangsbeschränkungen und 2022 soll eine Corona-Impflicht eingeführt werden. Zu den Protesten hatte unter anderem die rechte FPÖ aufgerufen. Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern gegen Corona-Maßnahmen gab es am Samstag auch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb.

Polizei setzt bei Corona-Demo in Belgien Wasserwerfer und Tränengas ein

Bei Protesten gegen verschärfte Corona-Maßnahmen in Brüssel ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Auf Bildern, die die Nachrichtenagentur Belga verbreitete, waren Polizeiwagen mit zerbrochenen Scheiben, brennende Barrikaden und der Einsatz von Pyrotechnik zu sehen. Die Polizei bestätigte, dass sie am Sonntag Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hat. Sie kündigte am frühen Abend an, Unruhestifter festnehmen zu wollen. Einer ersten Schätzung der Einsatzkräfte zufolge beteiligten sich rund 35 000 Menschen an der zunächst friedlichen Demonstration.

Auf Videos auf Twitter, die die Proteste zeigen sollen, ist zu sehen, wie Feuerwerkskörper und andere Wurfgeschosse gegen die Polizei eingesetzt wurden und es zu Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften kam. Die Demonstration sei von der Stadt Brüssel genehmigt worden, sagte eine Polizeisprecherin Belga zufolge am Nachmittag. Gemeinsam mit den Ordnungskräften sei eine Route bis in das Europaviertel der belgischen Hauptstadt festgelegt worden. Die Demonstranten kritisieren dem Bericht zufolge unter anderem die zunehmende Pflicht Corona-Zertifikaten in Restaurants und anderen Lebensbereichen vorzeigen zu müssen.

Ähnlich wie in Deutschland war die Zahl der Corona-Infektionen auch in Belgien in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Zuletzt wurden in dem Land mit rund 11,5 Millionen Einwohnern im Durchschnitt mehr als 12 000 Neuinfektionen am Tag verzeichnet.

(dpa)
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