Unterwegs im Wald, der keiner mehr ist

Mycha Schekalla reist im Wohnmobil durch Europa, er berichtet diesmal aus Portugal.

Unterwegs im Wald, der keiner mehr ist
Foto: Stefan Fries

Wir fahren mit Schrittgeschwindigkeit einem Portugiesen in seinem Auto hinterher. Auf Landstraßen könnte ich mit der Butze mindestens 80 schaffen, aber ich habe kein Interesse daran, schneller zu sein als mein Vordermann.

Er ist genauso tief geschockt und schrecklich beeindruckt wie wir: Links und rechts sollte dichter Wald sein, doch da ist nicht mehr viel. Schwarze Stämme von Eukalyptus und Pinien stehen traurig nebeneinander. Anstelle von Piniennadeln und Blättern ist der Boden mit einem Teppich aus Asche bedeckt. Sträucher fehlen komplett. Straßenschilder sind verrußt und aufgeplatzt. Strommasten umgeknickt. Auch hier hat es gebrannt. Schon wieder.

Fährt man dieser Tage durch Portugal, kann es sein, dass man um die nächste Ecke biegt und im Krisengebiet landet. Scheinbar wahllos haben sich Brandherde ihren Weg durch das Land gebahnt und es bis zum Meer geschafft. Wir sind aus Porto weiter südlich in Richtung Coimbra gefahren, um noch etwas vom Landesinneren zu sehen. Polizisten haben uns freundlicherweise nicht in die bedrohlichen Gebiete einfahren lassen und uns — so gut es ging — drumherum geleitet. Trotzdem kommen wir an den Überresten des Feuers vorbei. Der kratzige Geruch von verbranntem Holz zieht durch jede Öffnung des Wohnmobils, auch wenn die Lüftung aus ist. Wären wir einen Tag früher aus Porto losgefahren, hätten uns die Flammen überrascht. Jetzt zockeln wir durch trostlos abgebrannte Natur auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit, die weit weg von Bäumen Schutz bietet. Die Brände sind weiterhin gefährlich und die Zivilschutzbehörde Portugals verweist im Internet gerne auf die Lage potenzieller Brandherde, die sich stündlich ändern kann. Wenn wir jetzt noch eine funktionierende Internetverbindung hätten, anstelle von gedrosseltem Datenvolumen, wären wir nicht ganz so verunsichert. Einheimische sind über die anhaltenden, ungewöhnlich heißen Tage überrascht. Man könnte sich fast über einen weiteren warmen Tag freuen, wenn es nur nicht so verdammt trocken wäre. Als wir unsere Parkmöglichkeit für die Nacht, gegenüber einer Dorfkirche, erreichen, fängt es endlich zu regnen an.

Am nächsten Morgen machen wir uns weiter auf den Weg. Als wir das Dorf verlassen fahren wir unweit über einen kleinen Hügel und können bis zum Meer sehen. Eine gespenstische Stille liegt über dem Wald, der keiner mehr ist. Zwischen den verbrannten Stämmen dampft es stellenweise bedrohlich. Ein Fahrradfahrer radelt an uns vorbei, als wäre nichts gewesen. Als wir das Meer erreichen, ändert sich die die Farbe der Vegetation mit einem Mal von schwarz zu grün. Die Sonne bricht wieder durch die Wolken. Der ersehnte Regen fällt spärlich aus. Unweit von Lissabon merkt man nur noch wenig von der Aufregung um die Feuer im Land. Wir nehmen die Metro in die Stadt und lassen uns von den Touristenmassen durch die engen Gassen spülen. Danach sind wir ganz froh, weiterfahren zu können. Die ganze Fahrt durch Portugal kommt mir wie ein absurder Traum vor. Auf der einen Seite pulsierender Tourismus, auf der anderen weitläufig verlassene und atemberaubende Landschaften. Dazu gefährlich nah an lodernden Flammen. Bis jetzt der Höhepunkt unserer Reise. Tschau e te vejo em breve, Euer Mycha.

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