In der Türkei ist man vor willkürlicher Verhaftung nicht sicher

Vier Fragen an Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag und Abgeordneter für Solingen, Remscheid und Wuppertal II zur deutschen „Neuausrichtung“ der Türkei-Politik.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag und Abgeordneter für Solingen, Remscheid und Wuppertal II begrüßt die deutsche „Neuausrichtung“ der Türkei-Politik. (Archivfoto)

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag und Abgeordneter für Solingen, Remscheid und Wuppertal II begrüßt die deutsche „Neuausrichtung“ der Türkei-Politik. (Archivfoto)

Foto: Uwe Schinkel

Herr Hardt, wie beurteilen Sie den Vorstoß der Bundesregierung in Person Gabriel für den Status des deutsch-türkischen Verhältnisses? Spricht Gabriel auch für die Kanzlerin?

Jürgen Hardt:
Was Außenminister Gabriel heute vorgetragen hat, ist innerhalb der Bundesregierung sorgfältig abgestimmt. Die aktuelle Situation gebietet es, Geschäftsleute und Privatreisende davor zu warnen, dass man in der Türkei derzeit vor willkürlicher Verhaftung nicht sicher ist. Und da Erdogan den Rechtsstaat aushöhlt, ist auch investiertes Geld in der Türkei nicht sicher. Wir werden außerdem prüfen, ob der kleine Rest der noch gewährten EU-Hilfen ausgesetzt werden muss, denn eine EU-Perspektive für die Türkei gibt es derzeit nicht. Geld landet womöglich in den falschen Kassen.

Gehört unter den erklärten Punkt „Neuausrichtung unserer Türkei-Politik“ nicht bald auch eine Neuregelung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei?

Hardt:
Durch das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen hilft die EU der Türkei, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen im Umgang mit Flüchtlingen gerecht zu werden. Das Abkommen ist deshalb in beiderseitigem Interesse. Solange sich die Türkei ihrerseits an die Absprachen hält, gibt es keinen Grund, das Abkommen zu kündigen.

Hermes-Bürgschaften, Vorbeitrittshilfen, veränderte Reisehinweise — ist das Programm damit ausgeschöpft? Was wäre der nächste Schritt?

Hardt:
Ich hoffe, dass keine noch härteren Maßnahmen nötig sind. Das türkische Volk spürt schon heute die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der verfehlten Politik Erdogans. Der neuerliche Streit mit Deutschland und Europa ist schlecht für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Klima in der Türkei. Ich erwarte, dass es wirtschaftlich abwärts geht und damit auch die Unterstützung für die falsche Politik Erdogans in der Türkei schwindet. Jede verschärfte Antwort unsererseits auf Erdogans Eskalation birgt im Übrigen die Gefahr, dass Erdogan seine Legende weiter verbreiten kann, Deutschland und Europa wolle die Türkei gar nicht. Das wiederum kann auch nicht in unserem Interesse sein. Wir bewegen uns also auf einem schmalen Grat.

Sie sprachen davon, dass Erdogan innenpolitisch auf Widerstand treffen müsse. Was sind diesbezüglich Ihre Erwartungen?

Hardt:
Wenn ein autokratischer Herrscher zu solchen Mitteln greift, wie es Erdogan derzeit tut, brodelt es unter der Decke gewaltig. Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Massenverhaftungen ohne ausreichende Anklage, Unterdrückung der freien Presse und Gleichschaltung der Justiz sind harte, und oftmals letzte Mittel im Kampf gegen die Opposition. Wir wissen, dass in der Türkei viele anders denken als Erdogan, sich jedoch nicht trauen, den Mund aufzumachen. Wir hatten eigentlich gehofft, dass dies im 21. Jahrhundert in Europa endgültig der Vergangenheit angehört - wir haben uns leider getäuscht. (kup)

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