Deniz Yücel rettet Sigmar Gabriel — vielleicht
Es gab keine Deals, so die Bundesregierung. Demnach wäre die Freilassung von Deniz Yücel einzig dem politischen Druck auf Ankara geschuldet — und dem Interesse Erdogans, das Verhältnis zu Deutschland und Europa wieder zu normalisieren, nachdem er nun auch noch mit den USA im Konflikt ist.
Wer’s glaubt wird selig.
Erinnert werden muss an die kaum vier Wochen alte Zusage Berlins, türkische Leopard-Panzer nachzurüsten — was erst wegen des türkischen Einmarsches in Nordsyrien kurzfristig gestoppt wurde. Berlin war also bereit, für Yücel etwas zu bieten. Und Ministerpräsident Yildirim war erst am Donnerstag bei Angela Merkel. Eine Gegenleistung kam schon gestern, aus dem Mund des Außenministers Sigmar Gabriel: Der hielt die Fiktion einer unabhängigen Justiz aufrecht, die Ankara so wichtig ist, und dankte der türkischen Regierung dafür, dass sie eine „Verfahrensbeschleunigung“ unterstützt habe. Das ist nach einem Jahr willkürlicher Haft fast schon zynisch. Man muss daran erinnern, dass in der Türkei weit über 100 Journalisten einsitzen, die alle, genau wie Yücel, mit Phantasie-Klagen überzogen werden. Man muss daran erinnern, dass kein Geringerer als Staatspräsident Erdogan selbst Yücel als „Terroristen“ vorverurteilte. Yücel war eine Geisel, nichts weniger.
Bei aller Diplomatie: Man muss die Türkei als deutscher Außenminister in einer solchen Situation vielleicht nicht angreifen; Lob aber hat ein Geiselnehmer keinesfalls verdient. Die Türkei bleibt ein Land, in dem Menschenrechte, Demokratie und Pressefreiheit massiv eingeschränkt werden.