Einblicke in die dunklen Seiten der Textilherstellung

WZ lud zur Führung durch das Museum für Frühindustrialisierung. Arbeitsbedingungen jener Zeit waren hart und ausbeuterisch.

Einblicke in die dunklen Seiten der Textilherstellung
Foto: Andreas Fischer

Barmen. Wie viel Lärm so ein automatischer Webstuhl macht, davon haben die Besucher der WZ-Führung durch das Museum für Frühindustrialisierung schnell einen lebhaften Eindruck bekommen. Im sogenannten Maschinenraum des Museums lässt Georg Janssen am Sonntag einen Jacquard-Webstuhl und anschließend noch Flechtmaschinen für Spitze und Schmuckbänder anlaufen - da gehen die Besucher der Museumstour doch lieber etwas auf Abstand, wegen des Krachs und der ungewohnten Mechanik, die sich hinter den großen Maschinen versteckt.

Die WZ hatte im Rahmen ihrer Adventsaktion die Teilnahme an dem Museumsrundgang verschenkt. Und bevor Museumsführer Janssen einen Einblick in die Arbeitsbedingungen der Frühindustrialisierung und ihrer Veränderungen der Lebenswelten wirft, zeigt er erst einmal anhand eines Stadtmodells, wie der Bereich rund um das jetzige Historische Zentrum in Barmen Ende des 18. Jahrhunderts — also gegen 1790 — aussah. „40 Häuser gehörten damals zu der Firma Engels“, erzählt er.

In jenen Zeiten sei Barmen wegen des aufkommenden Textilhandels „Boomtown“ gewesen. Bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts war das Bleichen von Garn in der Stadt bekannt, hinzu kam die gute Lage am Fluss und die Tatsache, dass wegen des starken Bevölkerungswachstums viele Menschen in die Städte drängten. Selbst „aus dem Ausland“ seien Menschen in Barmen einquartiert worden, scherzt Janssen. Die neuen Arbeitskräfte kamen aus Westfalen.

Im nächsten Raum — dem Maschinenraum — verdeutlicht der Museumsführer dann die Entwicklung des Webens von der Heim- zur Fabrikarbeit, von der vorindustriellen zu der hochtechnisierten und vollautomatischen Produktionsweise. Die Reise durch die Technikgeschichte beginnt an einem Trittwebstuhl, der im 18. Jahrhundert sehr verbreitet war und in so manchem Haushalt stand, erklärt Janssen. Die gesamte Familie war mit der Herstellung der Textilien beschäftigt.

Mit automatischen Spinnrädern und der Einführung des aus Frankreich stammenden Jacquard-Webstuhls schritt dann die Automatisierung voran. Alte Berufe wurden überflüssig, neue hoch spezialisierte Tätigkeiten entstanden. Die Arbeit wurde dem Rhythmus der Fabrik unterworfen, die Menschen konnten nicht mehr zu Hause etwas herstellen, sondern mussten in die Fabrik einrücken und dort unter teilweise schwierigsten Bedingungen arbeiten. Und diese soziale Frage sowie die damit zusammenhängenden Ungerechtigkeiten griffen dann Marx und Engels in ihren Werken auf.

Seine historischen Erläuterungen macht Georg Janssen durch anschauliche Beispiele deutlich, zudem dürfen die Besucher immer wieder selbst einzelne Tätigkeiten an den Maschinen und Werkzeugen erproben. Die Frühindustrialisierung war kräftezehrend, ausbeuterisch und kannte viele Verlierer, die in „absoluter Armut“ leben mussten. Gleichwohl dürfe man nicht vergessen, dass die heutigen Generationen von den technischen Fortschritten und sozialen Entwicklungen jener Zeit profitierten, betont er.

Die Besucher sind von den Ausführungen Janssens sehr angetan. „Das war ganz toll und auch nicht zu museumsartig“, sagt Andrea Hinüber, die mit ihrem Mann aus Cronenberg gekommen ist. Sie werde sicherlich bald erneut zum Besuch ins Museum kommen. „Lebendig und anschaulich“ fand auch Georg Gulakow die Erklärungen des Museumsführers. Als Ronsdorfer wisse er noch, wie in seiner Jugendzeit einige Freunde in der Bandweberei gearbeitet hätten.

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