Vorwurf gegen NRW-Justizminister Biesenbach: „Habe mich da nicht reingehängt“

DÜSSELDORF · Grüne und SPD im Landtag attackieren den NRW-Justizminister: Hat er Einfluss auf Durchsuchungen in Hamburg in Sachen Cum Ex genommen?

 NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

Foto: dpa/David Young

Grüne und SPD im NRW-Landtag sprechen von einem „ungeheuren Verdacht“: dass Justizminister Peter Biesenbach (CDU) politischen Einfluss auf ein Ermittlungsverfahren genommen habe. Der, freilich nicht so platt ausgesprochene Vorwurf geht so: Der CDU-Mann habe ihm unterstellte Staatsanwälte in Gang gesetzt, um im Umfeld von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz viel Schmutz aufzuwirbeln, der dann wiederum auch das Sakko von Scholz verunreinigt. Was diesem vor den anstehenden Koalitionsverhandlungen zum Schaden gereichen möge.  

So platt, wie gesagt, behauptet das niemand. Aber eben darauf laufen die Andeutungen hinaus, die die Oppositionspolitiker am Mittwoch im Landtags-Rechtsausschuss machten. Und damit den aus Rom von einer Dienstreise eingeflogenen Minister konfrontierten.  

Der Anlass

Es geht um die am Dienstag in Hamburg durchgeführten Durchsuchungen in dem Komplex um den Cum-Ex-Steuerskandal (Infokasten), in dem die Kölner Staatsanwaltschaft die Federführung hat.  Mit den Durchsuchungen gehen die Staatsanwälte mithilfe des Landeskriminalamts dem Verdacht nach, ob die Privatbank Warburg vom Hamburger Fiskus geschont wurde und ob die Politik dabei nachgeholfen hat. Ermittelt wird gegen zwei frühere SPD-Politiker und eine Finanzbeamtin, unter anderem wegen Begünstigung. Sie sollen, so der Verdacht, der Bank zuvor illegal erlangte Vorteile gesichert haben.   

Die Vorgeschichte

Die Bank soll im Rahmen betrügerischer Cum-Ex-Geschäfte dem Fiskus viele Millionen Euro vorenthalten haben. Dennoch trieben die Hamburger Finanzbehörden ihnen zustehende Steuerforderungen von 47 Millionen Euro nicht ein. Und das in einer Zeit, in der Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg war. Scholz selbst werden in dieser Sache schon seit Monaten politische Vorwürfe gemacht, strafrechtlich ermittelt wird jedoch nicht gegen ihn. Wohl aber gegen Mitarbeiter der ihm damals unterstellten Behörde und politische Weggefährten.

Der Verdacht

Hier kommt dann der böse Verdacht ins Spiel, dass der den Staatsanwaltschaften des Landes vorgesetzte oberste Chef, eben CDU-Mann Biesenbach, seine „Untergebenen“  just in einer politisch brisanten Zeit in Gang gesetzt habe. Für den Grünen Stefan Engstfeld ist es „politisch sehr heikel, wenn ein CDU-Justizminister eine Anweisung gibt, die letztlich aufs Herz einer wahrscheinlich zukünftigen Bundesregierung zielt“. Und das nur zwei Tage nach der Bundestagswahl.

Doch bereits hier erscheint der Vorwurf ungereimt. Wollte man dem NRW-Justizminister wirklich solch böse Absicht unterstellen, so könnte man auch fragen: Warum hat er seine Staatsanwälte dann nicht schon vor der Wahl losgeschickt? Dann wäre der Schaden für den politischen Gegner doch noch größer gewesen.

Hin wie her – Biesenbach hat die Ermittler gar nicht selbst losgeschickt. So versicherte er im Landtag. Er habe keine Weisung für das Beantragen von Durchsuchungsbeschlüssen erteilt. Auch wies er darauf hin, dass Durchsuchungsbeschlüsse ohnehin immer auch richterlich abgesegnet werden müssen. Und gegenüber einem unabhängigen Richter habe ein Justizminister schon gar kein Weisungsrecht.

Das Weisungsrecht

Mit Blick auf Staatsanwaltschaften gibt es ein solches ministerielles Weisungsrecht jedoch durchaus. Dass ein Justizminister den Staatsanwälten Weisungen geben kann zu ermitteln oder Ermittlungen sein zu lassen, das sorgt immer wieder für Diskussionen. Zuletzt kritisierte der Europäische Gerichtshof diese Abhängigkeit deutscher Staatsanwälte von einer politischen Instanz. Befürworter des Weisungsrechts indes verweisen darauf, dass ohne eine demokratisch legitimierte Kontrolle die völlige Entscheidungsmacht bei den jeweiligen Generalstaatsanwälten liegen würde. Eine einzelne, nicht demokratisch legitimierte Person könnte dann entscheiden, ob Straftaten verfolgt werden oder nicht.

Die Justizminister von Bund und Ländern scheinen wegen der politischen Brisanz, die in der Einflussnahme auf Strafverfahren liegen, von ihrem Weisungsrecht denn auch nur selten Gebrauch zu machen. In dem aktuellen Fall jedenfalls versicherte Biesenbach, mit dem Geschehen selbst gar nichts zu tun zu haben. In dem von der zuständigen Abteilungsleiterin des Justizministeriums vor dem Rechtsausschuss vorgetragenen Bericht wird der Sachverhalt, der jetzt zu der Razzia in Hamburg führte,  so dargestellt:

Der Bericht des Ministeriums

Die zuständige Kölner Oberstaatsanwältin hatte zunächst einen Anfangsverdacht gesehen, wollte schon viel früher mit den Ermittlungen loslegen, war dann aber von ihren Vorgesetzten gestoppt worden. Daraufhin kam es zu rechtlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen. Im Rahmen der rechtlichen Auseinandersetzung wurde dann auch das Düsseldorfer Justizministerium eingeschaltet. Und von dort erging bereits im August die Anweisung, den Anfangsverdacht als Grundlage für weitere Ermittlungen nun doch zu bejahen.

Entsprechend wurden Durchsuchungsbeschlüsse beim Amtsgericht Köln beantragt. Das Gericht gab am 22. September, also vier Tage vor der Bundestagswahl, grünes Licht. Die Vollstreckung der Durchsuchungsbeschlüsse, so das Justizministerium, sei nicht in Abhängigkeit zur Bundestagswahl gewählt worden, sondern unter Berücksichtigung noch anstehender Ermittlungsmaßnahmen. Und was die Anweisungen aus dem Justizministerium betreffe, einen Anfangsverdacht zu bejahen – darüber seien sowohl der Justizminister selbst als auch sein Staatssekretär erst nach diesen Anweisungen informiert worden.

Im Übrigen, so Biesenbach, habe es sich nicht um eine Anweisung des Ministeriums gehandelt, sondern es sei eine „fachaufsichtliche Prüfung“ durch das Ministerium erfolgt, ob es einen entsprechenden Anfangsverdacht als Grundlage  für die Durchsuchungen gebe. Er selbst, so versichert der Minister, habe sich da „nicht reingehängt“, denn er wisse nur zu gut, was in einem solchen Fall an möglichen Verdachtsmomenten auf ihn zugekommen wäre. „Daher wollte ich nichts davon wissen, sondern erst, nachdem die Entscheidung gefallen war. Der Minister hat sich da völlig rausgehalten“, versichert Biesenbach.

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