Robert ist Autist und endlich Azubi

Es war sehr schwierig, für den 23-Jährigen eine Lehrstelle zu finden. Jetzt hat Robert seinen Meister gefunden.

Mönchengladbach. „Die Werkstücke sind genial geworden“, ist Sebastian Gnotke begeisert. „Robert ist bildhauerisch begnadet.“ Er zeigt auf zwei Sandstein-Blöcke: Dürers Betende Hände sind auf einer der Seiten des Quaders zu sehen, eine Madonna mit Kind auf einer anderen. Aus dem anderen Block erblüht eine steinerne Rose, eine fein ausgearbeitete Landschaft ziert die Seite.

Derjenige, der die kleinen Kunstwerke geschaffen hat, hat gerade mit der Ausbildung begonnen — und hatte große Schwierigkeiten, eine Lehrstelle zu finden. Denn Robert M. ist Autist. Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die in verschieden starken Ausprägungen vorkommt und vor allem das Kommunikationsverhalten und die sozialen Fähigkeiten einschränkt.

Autisten gelten als behindert, weil sie meist Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen haben. Ihrer Eingliederung ins Berufsleben widmet sich die Maßnahme Aurea (Autismus-Rehabilitation-Arbeit). Renate Klingbeil arbeitet für den Integrationsdienst Salo West, der diese Maßnahme umsetzt. Sie betreut auch Robert. „Nach einem Praktikum war für ihn klar, dass er Steinmetz und nichts anderes werden wollte“, erzählt sie. Sie machte sich auf die Suche nach einer Stelle für den 23-Jährigen und stieß auf Ablehnung. „Ich habe gefühlte 150 Steinmetze angerufen und überall Absagen bekommen“, sagt sie.

In Rheindahlen hatte sie Erfolg: Gnotke, Steinmetzmeister und Inhaber des Familienunternehmens, ist zu einem Gespräch mit dem jungen Mann bereit. Robert hatte kleine geschnitzte Kunstwerke aus Kreide dabei. „Ich habe gleich gesehen, dass er ein Bildhauerhändchen hat“, sagt Meister Gnotke.

Die Chemie zwischen ihm und Bewerber stimmt auch — Robert macht zehn Monate lang die von der Arbeitsagentur geförderte Einstiegsqualifikation, dann übernimmt ihn Gnotke als Azubi.

Der Autismus seines Mitarbeiters bereitet dem Steinmetz keine Probleme. „Ich behandele ihn wie jeden anderen, lobe, was zu loben ist und kritisiere Fehler“, erklärt der Meister, der erstmalig ausbildet. Das einzige Problem ist die Geschwindigkeit: Der 23-Jährige arbeitet langsamer als andere. „Ein Werkstück muss bei ihm nicht hundertprozentig, sondern tausendprozentig in Ordnung sein, ehe er aufhört“, sagt Gnotke. Aufzuhören, wenn der Meister sagt, dass alles okay ist, gehört zu den Dingen, die Robert lernen muss. „Man kann zudem kreativ sein“, sagt er.

Aber er ist auch bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. „Jemanden zu finden, der arbeiten will, ist schwierig“, klagt der Steinmetz. „Kaum jemand will sich dreckig machen.“ In seiner Branche findet Gnotke mit seinem bisher so erfolgreichen Experiment kaum Verständnis. Die Handwerkskammer habe abgeraten, und die Kollegen reagieren eher verständnislos. Doch Gnotke hat sich entschieden: Robert macht eine Ausbildung in seinem Traumberuf.

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