St. Tönis: Sprachbad im Kindergarten

In der Villa Gänseblümchen können Kinder mittwochs Englisch lernen.

St. Tönis. Zählen kann Buschra schon bis sieben. Auf Englisch. "Das heißt count down", sagt die Fünfjährige und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf den großem Sandkasten in der Villa Gänseblümchen, wo auch Paul spielt. "What is it?", fragt Joanna Grigat (42) und zeigt auf sein Spielgerät. "Bagger", sagt der Fünfjährige, und deutet an, Sand in die Schaufel zu häufen. Intuitiv hat Paul die Frage der gebürtigen Engländerin verstanden. Und genau so soll das neue Sprachangebot in dem St.Töniser Familienzentrum funktionieren.

Immer mittwochs besucht die Englisch-Muttersprachlerin Grigat, die in den vergangenen Jahren viel Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Sprache gesammelt hat, die Villa Gänseblümchen. "Sprachbad" nennt sich das Konzept, bei dem die Kinder Englisch als neue Umgangssprache in ihrer alltäglichen Umgebung lernen können. "Ich werde hier im Alltag mitmischen und dabei sein, wenn die Kinder die Zähne putzen, spielen, malen und basteln", sagt Grigat. "Ich zeige den Kindern, was ich auf meinem Brot habe und sage: ,Look, I’ve got cheese’ - und dann zeigen sie mir ihres und haben auch ,cheese’ - und so entsteht die Verknüpfung im Gehirn."

"Wir sind ein Familienzentrum mit dem Schwerpunkt Integrationsförderung", sagt die Leiterin der Einrichtung, Elke Roulands-Kuckuk. "Uns war wichtig, nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, die es gewohnt sind, sich in unterschiedlichen kulturellen Niveaus zu bewegen, in den Blick zu nehmen, sondern auch die kulturelle Aufgeschlossenheit der deutschen Kinder zu fördern." Das heißt konkret: Indem die Kinder Fremdartiges im Alltag hören und entsprechend abweisend oder offen darauf reagieren können, lernen sie den Umgang mit anderen Kulturen. Zudem sei wissenschaftlich bewiesen, dass das Kindergartenalter für Erfahrungen eine gute Zeit sei. Die Kindern können allerdings selbst entscheiden, ob sie mittwochs Zeit mit Joanna Grigat verbringen und nebenbei Englisch lernen wollen oder sich lieber anderen Dingen zuwenden.

"Wir als Erzieher werden dabei auf unser Schulenglisch zurückgreifen und mit Joanna Englisch sprechen, damit die Kinder uns als Lernvorbild sehen und beobachten können, wie wir uns verhalten, wenn wir nicht verstehend, sondern lernend sind", sagt Roulands-Kuckuk.

Im vergangenen Jahr waren bereits einige Kinder in den Genuss von englischer Sprachförderung gekommen - damals noch gegen einen finanziellen Zusatzbeitrag. "Glücklich war ich mit der Situation nie, weil wir das Angebot nur den Kindern anbieten konnten, deren Eltern sich den Beitrag leisten konnten", sagt Roulands-Kuckuk. Nun steht das Angebot allen 70 Kindern des Kindergartens offen. Finanziert wird das Ganze vom Förderverein. Und der konnte sich im letzten Jahr von der Qualität des Unterrichts überzeugen: Alle Kinder der Vereinsmitglieder haben den vergangenen Kurs besucht. "Man hört die Fortschritte, ohne dass man danach fragt", sagt Ralf Horster vom Vereinsvorstand. "Mein Sohn hat abends immer seine neuen Lieder geträllert."

Auf ein Jahr ist das Projekt erst einmal ausgelegt. "Wenn es gut läuft, möchten wir, dass es zur festen Institution in unserem Haus wird", sagt Roulands-Kuckuk. "Für mich steht die Freude an der neuen Sprache an erster Stelle. Und dass die Kinder viele positive Erfahrungen damit verbinden und durch den Alltag Erfolge haben, wenn es ums Spielen geht, und sie merken, dass hab ich jetzt verstanden", sagt Grigat. "Wenn ich dann beim nächsten Mal das Gelernte wiederhole und frage : Shall we play a game’, dann wissen die Kinder, was ich meine. Das geht ruckzuck bei denen."

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