Erinnerung wach halten

Projekt: Sieben Stolpersteine sollen an der Hochstraße in St. Tönis verlegt werden.

St. Tönis. Familie Kaufmann und Familie Falk haben einmal in St. Tönis gewohnt. Genauer gesagt an der Hochstraße 65 und 67. Doch kaum ein St. Töniser wird die Viehhändler- oder die Metzger-Familie kennen. Denn sie waren Juden und lebten in den 40er Jahren in den Häusern an der Hochstraße. Jetzt gehören die Gebäude der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft Tönisvorst (AWG). Und die möchte mit sieben Stolpersteinen an das Schicksal der Bewohner erinnern.

„Wir sehen uns in der Verantwortung, an diese Familien zu erinnern. Ortsgeschichte sollte sich auch mit den Menschen beschäftigen, die im Ort gelebt haben“, erklärt Walter Schöler. Um mehr über die früheren Eigentümer der Häuser zu erfahren, hat der Ex-Bundestagsabgeordnete sich Anfang des Jahres mit Geschichtsquellen auseinander gesetzt und Bücher gewälzt. Insgesamt haben 25 Personen dort gewohnt. „Wir haben uns bewusst für die beiden Familien entschieden, weil sie über einen längeren Zeitraum fest hier gewohnt haben“, sagt Schöler.

Michael und Henriette Kaufmann wurden im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und in Treblinka ermordet. Tochter Selma starb in Minsk. Auch Siegmund und Henriette Falk wurden zu der Zeit nach Theresienstadt gebracht. Sie überlebten jedoch, wurden befreit und kehrten nach St. Tönis zurück. Sohn Max wurde nach mehreren Aufenthalten in Konzentrationslagern im KZ Buchenwald ermordet. Sohn Erich floh. Sein weiterer Weg ist unbekannt. „Die Recherche war sehr bedrückend. Man erfährt viel über das Schicksal der Menschen“, so Schöler.

Im August sollen die Stolpersteine neben der Geschäftsstelle der AWG an der Hochstraße verlegt werden. Zu diesem Anlass wird auch der Künstler und Erfinder des Stolperstein-Projektes, Gunter Demnig, nach St. Tönis kommen und die Steine einpassen. Außerdem ist eine öffentliche Gedenkfeier geplant, zu der auch Mitglieder der jüdischen Gemeinden und Schulen eingeladen sind.

Das Michael-Ende-Gymnasium will sich auch in Zukunft um die Weiterführung des Projekts in St. Tönis kümmern und vielleicht Patenschaften für Stolpersteine übernehmen. An 13 weiteren Standorten im Ort gäbe es noch die Möglichkeit, Steine zu setzen.

„So ein Projekt muss von der Öffentlichkeit getragen werden“, sagt Schöler. Bis jetzt sei die Realisierung ohne größere Probleme abgelaufen. Anfang Februar hatte die AWG die Genehmigung der Stadt für die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes beantragt. Inzwischen hat der Stadtrat die Idee zustimmend zur Kenntnis genommen. Auch Bürgermeister Thomas Goßen hat seine Unterstützung zugesagt. Schöler hofft, dass die Idee gut ankommt und nicht, wie zum Beispiel in Kempen, auf starke Kritik stoßen wird. „Es ist wichtig, an diese Personen und ihr Schicksal zu erinnern. Die Steine stehen für einen Menschen und seine Lebensgeschichte. Das kann ein Denkmal nicht leisten“, so Schöler.

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