Singen und ein bisschen Arabischunterricht

Einheimische und Flüchtlinge treffen sich im POP-Chor Baumberg. Ein Chorproben-Besuch.

Singen und ein bisschen Arabischunterricht
Foto: Matzerath

Monheim. „Ä-nä haun mäbädi - ruh uä - ef lä äh -l -mi.“ Die Worte kommen etwas verhalten, finden nicht den richtigen Rhythmus und werden am Ende vom Klavierspiel abgehängt. „Alles ist anders — da sind ja plötzlich lauter Umlaute drin“, beklagt sich eine Sängerin in der Baumberger Friedenskirche. „Ich habe die Lautschrift noch mal geändert, damit sie den tatsächlichen Lauten näherkommen,“ erklärt Rabih Lahoud. Im „Pop-Chor“ mitzusingen bedeutet immer auch, ein bisschen Arabischunterricht zu nehmen. So wird das vom Chorleiter zum Einsingen komponierte Lied „Bin jetzt hier“ zu Anfang jeder Probe auf Deutsch und Arabisch angestimmt. Denn der Chor soll das Begegnen und Kennenlernen von Flüchtlingen und Monheimern ermöglichen. „,Bghänni’ müsst ihr wie brandy aussprechen, ich habe das ,r’ aber rausgelassen, weil das Wort eine komische Bedeutung hat“, erklärt Lahoud, ein gebürtiger Libanese, der als 19-jähriger Musikstudent nach Europa kam.

Der Pop-Chor ist noch jung. Seit September treffen sich alle 14 Tage gut 50 Erwachsene im Gemeindezentrum der Friedenskirche. „Wir wollten ein eigenes Integrationsprojekt ins Leben rufen“, erklärt Pfarrer Peter Becker. Man fragte bei Lahoud an, der in Baumberg wohnt und an der Robert-Schuhmann-Hochschule Opernsänger in Pop- und Musicalgesang unterrichtet. In seinem Chor werden deutsche und arabische Lieder gesungen. „Man kann vieles aus der arabischen Musik in die hier bekannten Tonleiter übersetzen“, sagt Lahoud. „Es gibt viele musikalische Gemeinsamkeiten. Das ist auch die philosophische Basis dieses Projekts.“ Allerdings sei etwa den Syrern Chorgesang völlig unbekannt, dort sei das Rezitieren des Korans Grundlage jeder gesanglicher Ausbildung. Auch dass sich die Proben in einem Kirchenraum abspielen, ist für viele eine Barriere, denn eine solch weltliche Nutzung in sakralen Räumen ist im arabischen Raum nicht üblich. So bedarf es auch stets von Neuem vieler Brückenbauer, die den Flüchtlingen den Weg in die Friedenskirche weisen, sagt Helga Klüter vom Presbyterium. Man müsse sie regelrecht in der Unterkunft an der Bregenzer Straße abholen. Auch die mittwochs stattfindende Sprachbar diene als Werbeplattform. „Von allein funktioniert es nicht“, bekennt Lahoud. Wenn die Kümmerer mal ausfallen, wie krankheitsbedingt am ersten Freitag im Januar, kommt niemand.

Die Chorprobe beginnt stets mit einem Lied, gefolgt von Übungen zur Stimmbildung. „Einer der Hauptfeinde ist die Halsmuskulatur“, sagt Lahoud. Wenn die Schlundschnürer zu sehr angespannt seien, verenge sich der Resonanzraum, die Stimme klinge dann höher und leiser. Deshalb sollen die Sänger ihren Hals in einen freundlichen Würgegriff nehmen, um sich der unerwünschten Aktivität dieser Muskeln bewusst zu werden. Dann sollen die Sänger das Einstimmungslied in einer Stimmlage intonieren, die er als „Zwei-Tage-altes-Häschen-Streicheln“ beschreibt. Es geht darum, Emotionen zu vermitteln. Ein schwieriges Thema, so Lahoud. Beim Singen kommen unwillkürlich Emotionen hoch. Manch Flüchtling müsse sich dann seinen traumatischen Erinnerungen an die Flucht stellen. „Das ist oft erstmal ein Kulturschock“, sagt Lahoud. Die Stadt wird den Pop-Chor am 2. Februar mit dem Integrationspreis auszeichnen.

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