Wahlprogramm-Check: Mehr Ganztag, mehr Praxis

Erster Teil des WZ-Wahlprogramm-Checks: Es geht um Bildung und Erziehung.

Krefeld. Unterschiedlicher geht es fast nicht mehr. Die traurige Lage der zum Teil sehr gut arbeitenden Krefelder Hauptschulen findet in den Wahlprogrammen von CDU, SPD, Grünen und FDP auf höchst verschiedene Weise Niederschlag.

Allerdings darf man alle Aussagen über die Zukunft des dreigliedrigen Schulsystems zum heutigen Zeitpunkt als Herumstochern im Nebel bezeichnen, da nach der Landtagswahl im Mai 2010 mit neuen Vorgaben aus Düsseldorf zu rechnen ist.

NRW-Bildungsministerin Sommer (CDU) hat ihre Präferenz für die Verbundschule (Haupt- und Realschule gemeinsam) signalisiert. Die Krefelder CDU will eine "neue Hauptschule", die "Profis für die Praxis" ausbildet. Die Chancen dieser Schulform lägen in einer praxisnahen Ausbildung, in einer frühzeitigen Berufsorientierung und in einer engen Zusammenarbeit mit der Wirtschaft vor Ort.

Das hat aber in der jüngsten Vergangenheit - betrachtet man die Anmeldungen - nicht funktioniert, die Hauptschule wird von den Eltern trotz guter Arbeit nicht mehr akzeptiert.

Und die Anmeldezahlen, das weiß auch die CDU, sind eine "Abstimmung mit den Füßen." Recht hat die CDU mit ihrem Hinweis, dass es in den kommenden Jahren bedingt durch den demografischen Wandel einen großen Fachkräftemangel geben wird.

Doch die Forderung der Christdemokraten, dass jeder Hauptschüler einen Ausbildungsplatz erhalten soll, erscheint - zumal in der aktuellen Krise - unrealistisch. Die CDU will gleichzeitig, dass jeder einen weiterführenden Schulabschluss erreichen kann - dann fehlt aber der "Profi für die Praxis" bei den Krefelder Betrieben.

Die SPD beharrt auf ihrer Forderung nach einer vierten städtischen Gesamtschule. Wobei Krefeld ja bereits vier Gesamtschulen hat - drei städtische und eine bischöfliche, die Montessori-Schule. Fest machen die Sozialdemokraten ihre Forderung an der Zahl der abgewiesenen Kinder an den drei städtischen Gesamtschulen (in diesem Schuljahr 167). Die ist in der Tat hoch.

Aber Experten der Krefelder Schulszene warnen seit Jahren vor einer vierten Einrichtung dieser Art: Sie sei zu viel; die der Gesamtschule ins Stammbuch geschriebene Drittelung bei den aufzunehmenden Schülern (je ein Drittel Hauptschul-, Realschul- und Gymnasium-Potenzial) könne dann nicht mehr erfüllt werden.

Weitere Punkte des SPD-Wahlprogramms umfassen zum Beispiel: Kinder länger gemeinsam lernen lassen, Ganztagsbetreuung qualifiziert ausbauen, mehr integrative Angebote für Kinder, marode Schulgebäude sanieren - das hört sich vernünftig an und ähnelt den Programmen der anderen drei Parteien. Finanzierungsvorschläge wie bei CDU und Grünen: bislang Fehlanzeige.

Während die SPD die Abschaffung der Elternbeiträge für die Kindergartenbetreuung fordert und jedem Kind ein warmes Mittagessen garantieren will, möchte die CDU sich für eine gerechtere Staffelung der Elternbeiträge einsetzen. Die Beitragsfreiheit sei zwar erstrebenswert, aber derzeit nicht zu finanzieren, so die Christdemokraten.

Für die Grünen steht fest: Die Hauptschule hat ausgedient. "Nur noch wenige Eltern sehen in ihr ein Bildungsangebot, das ihren Kindern eine Zukunftsperspektive gibt", heißt es im Wahlprogramm. Nach Hieben gegen CDU und FDP, die "nicht über die drastisch sinkenden Anmeldezahlen nachdenken", kommt lediglich der Hinweis: "Was wir brauchen, ist eine Weiterentwicklung von Schulen, die nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen wird. Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Gestaltung von Weiterentwicklung der Schulen".

Wie das aussehen könnte, fassen die Grünen in 23 Punkten zusammen. Beispiele: Entwicklung eines gesamtstädtischen differenzierten Bildungsangebotes durch Träger und Schulen, Stärkung von Schulstandorten, mehr Geld für den Ganztagsbetrieb, Entwicklung von Konzepten zur Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Schulformen. Auch die Grünen stehen für kostenfreie Mahlzeiten in Kindergärten und Schulen, wollen die Elternbeiträge in den Kitas schrittweise absenken, und fordern Verbesserungen bei den Betreuungszeiten sowie mehr Sprachförderung.

Sprach- und Bildungsförderung im Kindergarten ist auch für die FDP ein Thema. Sie fordert zudem eine Ausweitung und Stärkung der Familienzentren sowie eine stärkere und professionellere Zusammenarbeit der freien Träger in der Sozial- und Jugendarbeit. Sie fordern, dass jeder Schüler in Krefeld ein Ganztagsangebot in einer Schulform seiner Wahl finden kann. Indirekt bestätigen sie damit die Grünen, die kritisieren, dass durch die Schulzeitverkürzung die Gymnasien faktisch zu Ganztagsschulen geworden sind, ohne dass für die entsprechende Ausstattung gesorgt wurde.

Statt weiterer Gesamtschulen will die FDP Schulzentren (Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien im Verband) fördern - das darf man als Unterstützung der Hauptschulen werten. Im Zusammenhang mit dringend nötigen Instandhaltungsarbeiten an Schulgebäuden fordert sie eine kommunale Bildungsinitiative mit der Zielsetzung, dass von 2011 bis 2014 pro Jahr rund sieben Millionen Euro zusätzlich an Haushaltsmitteln veranschlagt werden.

Die FDP wäre nicht die FDP, wenn sie für die Finanzierung nicht auch ihren Deckungsvorschlag hätte: Die Liberalen sind für den Verkauf von weiteren 517305 RWE-Aktien.

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