Inklusion Fahne statt Pfeife beim Gehörlosen-Fußball

Jeden Donnerstag spielt eine ganz besondere Fußballgruppe beim SV Oppum. Bei ihr geht es auf dem Spielfeld fast lautlos zu.

Inklusion: Fahne statt Pfeife beim Gehörlosen-Fußball
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Trainer Pascal Kleimeyer ist etwas spät dran. Seine Spieler warten bereits. Mit viel Eifer haben sie die beiden Fußball-Tore auf dem Kunstrasenplatz des SV Oppum unter Beschuss genommen. Doch während diese Szenerie sich wohl unzählige Male zur gleichen Zeit auf den Fußballplätzen in Deutschland abspielt, gibt es zur Trainingseinheit in Oppum einen Unterschied. Man hört schlichtweg keine ausschweifenden Jubelschreie beim Torerfolg, kein schallendes Gelächter beim Beinschuss und keinen Trainer, der durch lautes Rufen seine Mannschaft antraben lässt.

Inklusion: Fahne statt Pfeife beim Gehörlosen-Fußball
Foto: Dirk Jochmann

Es ist nahezu still auf dem Platz. Und das hat einen guten Grund. Der Verein, der gerade seine Fußballeinheit abhält, ist der Gehörlosenverein Krefeld (GVK). Genauer gesagt die Fußballabteilung des GVK, die sich erst am 14. Februar 2015 gegründet hat und sich seitdem jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr auf der Anlage des SV Oppum zur fußballerischen Trainingseinheit trifft.

„Ich bin selber seit meinem achten Lebensmonat hörgeschädigt und werde bei den Trainingseinheiten durch meinen Co-Trainer Kevin Ascheuer unterstützt“, sagt Kleimeyer. Mit Stangen, Hürden und Leibchen unter dem Arm, betritt Kleimeyer das Spielfeld. Freudig begrüßt der Trainer seine Spieler per Handschlag. Mit Hilfe der Gebärdensprache erklärt der 26-Jährige die Übungen, die er sich zusammen mit Ascheuer für diesen Trainingstag ausgedacht hat.

16 Teilnehmer sind es heute, die gemäß ihres Alters in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Ascheuer kümmert sich dabei um die jüngeren Teilnehmer, Kleimeyer um die Jugendlichen und Erwachsenen. Während die Spieler alle hörgeschädigt oder gehörlos sind, sind Co-Trainer Kevin Ascheuer und sein Bruder Marvin hörend.

„Unsere Eltern sind nicht hörend, deshalb können wir die Gebärdensprache und unterstützen Pascal. Dazu spielen wir selber gerne Fußball und sind Mitglieder im GVK“, sagt Kevin Ascheuer. Dieser hat nicht gerade zufällig mit der Fußballabteilung eine neue Heimat auf der Sportanlage des SV Oppum gefunden. Der Vorstandsvorsitzende des SV, Axel Müller, ist Inklusionsbeauftragter des Fußballverband Niederrhein. „Für uns war es keine Frage, dass wir dem GVK den Platz zur Verfügung stellen“, sagt Müller.

Mit viel Fleiß und Willen sind alle Spieler bei der Sache. Dabei wird deutlich, dass hier nicht nur ein wenig gekickt, sondern eine richtige Trainingseinheit vollzogen wird und natürlich endet diese mit einem Spiel. Und dabei kommt wohl der größte Unterschied zum eigentlichen Fußball deutlich zum Vorschein. Trainer Kleimeyer fungiert dabei als Schiedsrichter und hat ein wichtiges Utensil dabei. „Es ist eine Fahne, die den Spielern in einer Partie signalisiert, wann ich als Schiedsrichter eine Entscheidung treffe“, sagt Kleimeyer. Ob Foul, Abseits oder Tor - alle spielentscheidenden Aktionen werden vom Schiedsrichter mit der Fahne meist wild wedelnd angezeigt.

„Eine Strafe für das Weiterspielen nach einem Pfiff wie beim normalen Fußball gibt es für uns aber nicht“, erklärt Kleimeyer, dessen Ausführungen in der Gebärdensprache von Marvin Ascheuer übersetzt werden. Doch die Fußballabteilung scheut auch die Vergleiche mit ganz normalen Hobbykickern nicht. „Wir nehmen bereits an Turnieren teil. Da braucht der Schiedsrichter dann sowohl die Pfeife als auch die Fahne“, sagt Kevin Ascheuer.

Für die Zukunft plant der GVK zumindest mit den Jugendmannschaften bereits bei den Gehörlosenmeisterschaften teilzunehmen. „Zudem würden wir uns über weiteren Zuwachs zu unserer Fußballabteilung freuen“, sagt Ascheuer. Mitmachen kann dabei jeder, der hörgeschädigt oder nicht hörend ist. „Bei einem offiziellen Meisterschaftsspiel können dann aber nur die Spieler mitmachen, die einen Hörverlust von mindestens 55 Dezibel auf beiden Ohren nachweisen können“, sagt Ascheuer.

Und dann folgt doch die Szene des Tages, die so typisch ist für den Fußball. Nach einem Tor liegen sich die Spieler in den Armen: lautloser Jubel. Und die Trainer machen einen mehr als zufriedenen Gesichtsausdruck.

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