Bildung Die nächste Herausforderung: Ruhestand

Hedwig Schomacher ist eine Macherin. Seit 1993 hat sie das Berufskolleg Vera Beckers geleitet — und vor dem Aus gerettet. Ende Juli verabschiedet sie sich aus dem Schuldienst.

Bildung: Die nächste Herausforderung: Ruhestand
Foto: DJ

Krefeld. An Herausforderungen hat es Hedwig Schomacher in ihrem Berufsleben nie gemangelt. Als die 41-jährige Oberstudienrätin 1993 die länger vakante Stelle der neuen Leiterin des Berufskollegs Vera Beckers übernahm, war der Fortbestand der Berufsschule noch ungewiss. Mehr als 900 Schülerinnen und Schüler besuchten damals die Schule an der Girmesgath; in diesem Schuljahr sind es 2900. Am Mittwoch, 12. Juli, wird Hedwig Schomacher offiziell von der Stadt verabschiedet. Ende Juli geht sie mit 65 Jahren in den Ruhestand.

Fällt es ihr schwer, den Direktorinnen-Stuhl nach so vielen Jahren zu räumen? „Nein“, sagt sie kurz und knapp. Nach 24 Jahren sei das gut so. Gefühlt seien es für sie sowieso „gerade mal zehn Jahre“. Die malerische Leichtigkeit und Dynamik in ihrem Lieblingsbild „White Center“ mit Gelb, Pink und Lavendel auf Rosa von Mark Rothko hängt hinter ihrem Schreibtisch an der Wand, eine Kohlezeichnung einer Niederrheinischen Kopfweide von Will Cassel mit den Zeilen „viele Gesichter“ vom Kollegium an der Seitenwand. Energie gepaart mit Weitsicht und Bodenhaftung — das passt zu ihr.

„Es war eine schwierige Zeit anfangs, die Auflösungsdebatte zerrte an allen; doch dann berichtete die WZ über die Ausbildung zum bekleidungs-technischen Assistenten und wir bekamen langsam die notwendige Aufmerksamkeit“, erinnert sich Hedwig Schomacher. Die richtigen Weichen für die Zukunftsfähigkeit eines Berufskollegs zu stellen, sei eine der ständigen Herausforderungen gewesen. „Ein Spagat zwischen den Wünschen der Jugendlichen im Hinblick auf ihren beruflichen späteren Werdegang und der Abschätzung von Schulseite, welche realen Möglichkeiten es gibt.“ 42 unterschiedliche Bildungsangebote seien so im Laufe der Zeit entwickelt worden, um der Lebensrealität unterschiedlicher Zielgruppen gerecht zu werden. Unterstützt worden ist Hedwig Schomacher dabei von ihrem Team ebenso von Partnern wie der IHK, der Ärztekammer oder der Stadt. Wenn es für Medizinische Fachangestellte (früher so genannte Arzthelferinnen) zum Beispiel neue EDV-Programme oder Abrechnungsmodalitäten gebe, müssten die zwangsweise schnell in die Ausbildung einfließen. „Unser Ziel ist ja, die Jugendlichen fit zu machen für ihre spätere berufliche Zukunft.“

Auch die finanzielle Ausstattung sei eine immer währende Herausforderung für Schule wie auch für die Stadt, vor allem während des Nothaushalts. „Berufskollegs sind teuer“, sagt die Schulleiterin, mit Hinweis auf den sogenannten „Italo-Bau“. Damit meint sie den Gebäudeteil B aus den 1970er-Jahren, der dringend eine Renovierung benötige. Seitdem er bezogen worden ist, habe er keinen neuen Anstrich erhalten. „Die Flure sind im Rahmen von Schülerprojekten gestrichen worden.“

Froh ist sie allerdings darüber, dass mit der Anmietung der ehemaligen Milchwirtschaftlichen Untersuchungsanstalt an der Westparkstraße zusätzliche Schulräume möglich wurden. „Es ist jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung, genügend Räume für alle Schüler und Bildungsangebote zu schaffen. Die Stundenpläne zu erarbeiten ist deshalb eine hohe Kunst, in die ich mich wegen des guten Teams hier nie richtig selber einarbeiten musste“, dafür ist Hedwig Schomacher dankbar. Ihre Energie konnte sie dafür auf die Entwicklung von Qualifizierungsangeboten richten. „Gute Qualität setzt sich durch“, sagt sie überzeugt. Dafür hat sie gekämpft. Zu Beginn ihrer Schulleiterinnen-Karriere gab es eine Klasse für angehende Erzieherinnen. „Jetzt sind wir fünfzügig in Kombination mit der Hochschulreife.“

Neu eingeführt worden sind Angebote im Bereich Gesundheit und Sport sowie die gymnasiale Oberstufe. Die ist inzwischen neunzügig. „Wir werden in diesem Schuljahr 190 Abitur-Zeugnisse ausgeben“, sagt Hedwig Schomacher und lächelt zufrieden. Neben Französisch als Fremdsprache bietet das Berufskolleg inzwischen Spanisch und Italienisch an — das kommt in einem zusammenwachsenden Europa bei den Schülern gut an.

Neben der klassischen Berufsausbildung hat die Oberstudiendirektorin nie die Schüler aus den Augen verloren, „deren beruflicher Werdegang nicht so elegant ist“. Die Rede ist von Schulflüchtigen, wie sie sie nennt, ohne Hauptschulabschluss. Im Berufskolleg Vera Beckers werden sie sozialpädagogisch begleitet. „Wir arbeiten daran, dass sie den Glauben an sich selbst zurückgewinnen.“ Vertrauen und Ehrgeiz entwickeln, doch noch einen Schulabschluss zu schaffen. 60 Prozent dieser Schüler schaffen das. „Das hört sich zuerst nicht so viel an, ist es aber!“

Sie, die es selber als Mädchen auf einem Jungengymnasium nicht leicht hatte, weiß, wie wichtig gute Schule und Förderung ist. Damit zum Beispiel die staatlich geprüften Kosmetikerinnen eine möglichst realitätsnahe Ausbildung bekommen, hat sich Hedwig Schomacher für eine entsprechende Ausstattung eingesetzt. Wer die Etage für den Fachbereich Biotechnik betritt, fühlt sich in den Kosmetikbereich eines Fünf-Sterne-Hotels versetzt. „Wer später erfolgreich als Kosmetikerin oder Friseurin in gehobenen Geschäften arbeiten will, darf von dem Ambiente nicht eingeschüchtert sein“, sagt Hedwig Schomacher pragmatisch.

Unterstützend bietet die Schule im Rahmen von EU-Programmen Auslandspraktika in den Bereichen Kosmetik-, Ernährung- und Bekleidung an. „Einen Antrag für 110 000 Euro haben wir gerade durchbekommen“, erzählt die Schulleiterin stolz.

Hedwig Schomacher über die Unbefangenheit ihrer Schüler

Die nächsten Auslandspraktika sind gesichert. Im Rahmen des Förderprogramms „Gute Schule 2020“ hofft sie außerdem auf weiteres Geld für neue Technologien und bestimmte Umbau-Projekte. Auf den Weg gebracht, hat sie sie.

Begleiten wird sie sie ab August nicht mehr. Nur für das deutsch-niederländische Projekt „Durch Neugier lernen“ der Hochschule Niederrhein wird sich Schomacher nach der offiziellen Verabschiedung auch weiterhin engagieren. Langweilig wird es ihr also nicht werden. Mit Ehemann Gerhard Ackermann, dem erst vor kurzem in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen Jugendamtsleiter, freut sie sich auf mehr Zeit zum Leben und Reisen. Italienisch will sie auch endlich lernen. Ob ihr etwas fehlen wird? „Was ich vermissen werde, sind die jungen Leute, die sind so witzig“, sagt sie — und meint die jugendliche Unbefangenheit.

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