Trainingsstunde mit einer Boxerin auf Kampf-Entzug

Ex-Weltmeisterin Regina Halmich gibt in 45 Minuten einen Einblick in 18 Jahre Schinderei für den Ruhm im Ring und in ihr neues Leben ohne den Druck des Profiboxens.

Düsseldorf. Ich verfluche sie. Die fünf Alt am Wochenende in der Altstadt, die zwei Stücke Streuselkuchen zur Kaffeepause und die rosa Turnschuhsohlen an den Füßen von Regina Halmich, die ich bei jeder Kniebeuge im Tunnelblick sehe. Aber vor einer ehemaligen Box-Weltmeisterin macht man natürlich nicht schlapp. „Ich wurde 18 Jahre lang im Training gequält, jetzt stehe ich auf der anderen Seite“, sagt Halmich und grinst vielsagend.

Die Show-Boxeinheit, die die 34-Jährige am Montag zur Eröffnung eines Fitness-Centers im Lighthouse an der Derendorfer Allee abhält, geht weiter: Sandsack. Zwei Minuten Vollgas. Die Fäuste werden immer schwerer. Inmitten der schwitzenden und schnaufenden Menschen steht Regina Halmich, feuert ihre Schützlinge an.

Dass sie seit 2007 nicht mehr im Ring steht, sieht man nicht. 1,61 Meter Körpergröße, null Gramm Fett. „Ich trainiere noch drei bis vier Mal die Woche“, sagt sie. „Es macht jetzt einfach mehr Spaß, ohne den Druck, Geld damit verdienen zu müssen.“ Durchhalte-Übungen wie Liegestütze spart sie trotzdem nicht aus: „Es gibt Tage, da brauche ich die Quälerei.“

Nur Sparring, also Trainingskämpfe, mache sie nicht mehr. Wegen der Nase, die sie sich vor kurzem in Düsseldorf hat richten lassen? Die Frage brennt mir auf der Zunge — und sie weiß es. Der Blick, mit dem sie meine Gedanken liest, ist Antwort genug. Schließlich hat die Frau schon einmal einem Kerl die Nase gebrochen, der den Mund zu weit aufgemacht hat. Und bei Stefan Raab, sagt sie, habe sie damals nicht mal richtig ernst gemacht.

Es gibt natürlich eine sportliche Erklärung für ihr selbst auferlegtes Kampf-Verbot. „Wenn ich Sparring mache, will ich auch wieder kämpfen, das ist wie eine Sucht.“ Regina Halmich ist Boxerin auf Entzug. Bis jetzt ist sie sauber geblieben.

Ihre neue Nase steht für die Wandlung, die Halmich seit ihrem letzten WM-Kampf vollzogen hat, und für ihr Verhältnis zu Düsseldorf. Früher, als der Riecher noch ein Trümmerhaufen war, da hat sie ihn in der Reisholzer Halle oder der Philipshalle in den Ring gehalten. Jetzt steckt sie das neue feine Näschen lieber in Edelboutiquen auf der Kö. „Ich bin vermutlich das typische Düsseldorf-Touristen-Klischee“, sagt sie.

Halmich ist nach 18 Jahren Schinderei in der komfortablen Lage, sich die schönsten Angebote von Sponsoren und Fernsehsendern auszusuchen.

Eine Situation, um die ich sie in diesen letzten Minuten des Trainings beneide. Denn ich habe keine Wahl: Sit-Ups. Und Regina Halmich zählt genüsslich runter. Fünf, vier, drei. . .

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