Netz im K21 eröffnet

Besucher im K21 dürfen nicht nur staunen, sondern selbst im raffinierten Spinnennetz des Tomás Saraceno trimmen und klettern.

Düsseldorf. „Wir wünschen Ihnen einen spannenden Aufenthalt im K 21“, sagte Museumschefin Marion Ackermann den Vernissage-Gästen, die auf der Piazza ausharrten. Sie warteten nur darauf, dass sie endlich das dreistöckige Netzgebilde des Tomás Saraceno (39) unter der Kuppel des Ständehauses besteigen konnten. Auf dem Fußweg nach oben ging allerdings einigen Besuchern die Puste aus. Schließlich kristallisierten sich die Mutigen heraus, die fest entschlossen waren, das Kunstwerk in luftigen Höhen (bis zu 35 Meter hoch) zu erklimmen. Ein Kuriosum gleich am Anfang: Die Unerschrockensten, die sich wie im siebenten Himmel fühlen wollten, waren Frauen. Sie unterschrieben als Erste den Zettel mit einer Hand voll Sicherheitsmaßnahmen.

Bärbel Grupe, Sicherheitsdienst

Grundsätzlich gilt: Niemand darf jünger als zwölf Jahre sein. Jugendliche müssen eine schriftliche Erlaubnis der Eltern mit sich führen. An der Aktion darf nur teilnehmen, wer in einen weißen Astronautenanzug schlüpft, Spezialschuhe überstülpt und Fotoapparate oder Mobiltelefone in einer Tasche verschwinden lässt. Brillenträger erhalten ein Brillenband.

Die Mutigen müssen am Freitagabend und auch sonst an David Wilke vom Sicherheitsdienst vorbei, der für seinen ungewöhnlichen Job auf anderthalb Jahre engagiert worden ist und die Leute kontrolliert. Am Ende der Treppe assistiert Bärbel Grupe. Sie feuert an: „Die ersten Meter sind schwierig, weil die Netze vibrieren. Schauen Sie nicht auf die Füße! Einfach konzentrieren und weiter gehen! Nehmen Sie die Seile als Haltegurte!“

Selten sind Museumsbesucher so mutig, aufgeregt und atemlos gewesen wie diesmal. Ist die Luft noch so warm und stickig — sie überwinden ihre Angst und machen mit. „Am Anfang habe ich gedacht, ich halte es nicht aus. Aber dann fängt man an zu schweben. Ich habe ein Wolkenbad genommen“, erklärte Jutta Meinhard-Kreuzer, die zum ersten Trupp gehörte. Und Sibylle Mensing, die aus Münster angereist ist, meint: „Ich habe voll auf die Netze und deren Schwingungen vertraut. Wer sich fit fühlt und schwindelfrei ist, sollte es unbedingt wagen.“

Am Rande des Geschehens sitzt Bauingenieur Michael Wagner aus Frankfurt, dessen Firma an der Herstellung der spinnenartigen Rauminstallation beteiligt war. Er beruhigt die Aufgeregten, deren Adrenalinspiegel in die Höhe schnellt: „Die Kuppel ist so robust gebaut, dass nichts passieren kann. Wir haben fünf Pylonen eingebaut und im Boden verankert. Die Netze laufen über drei Ballons und sind in den Fußpunkten der Gitterschalen befestigt.“

Dietrich Koska, Kanzler der Kunstakademie, der seinen Mut schon nach der Pressekonferenz erproben konnte, feuert die Wartenden an: „Direkt unter dem Dach meint man, man stehe auf der Spitze von Düsseldorf. Man hat ein neues Gefühl der Schwerelosigkeit.“

Dem kaufmännischen Direktor Hagen W. Lippe-Weißenfeld fällt ein Stein vom Herzen: „Drei

Jahre sind von einer Idee, die Tomás Saraceno aufs Papier gezeichnet hat, bis zur Einweihung

Hagen W. Lippe-Weißenfeld, Geschäftsführer

vergangen. Die Realisierung war ein Kraftakt. Wir mussten 15 Ämter und Institutionen einschalten, haben mit 50 Personen diskutiert und fünf Statikbüros eingeschaltet. Die Feuerwehr musste Höhenrettungsproben mit einer Drahtsteigerliege machen. Es ist ein Wahnsinn, dass wir alles hinbekommen haben.“

Den Zuschlag zum Bau des kunstvollen Fantasiegebildes hatte übrigens eine Firma aus dem Münsterland erhalten, die Erfahrungen mit Affengehegen in Zoos hat. Sie wusste als Einzige, wie man den Draht so anbringt, dass er den klimatischen Wechselwirkungen standhält.

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