Handball Kreisläufer setzt auf knallhartes Workout

Ratingen/Dinslaken. · Interview Christian Mergner spielt für den Handball-Regionalligisten SG Ratingen. Seine Muskulatur, vor allem die Arme, trainiert der 27-Jährige in Dinslaken.

 Die Abwehr des TV Rheinbach benötigte in dieser Szene gleich drei Akteure, um Christian Mergner (am Ball) zu stoppen.

Die Abwehr des TV Rheinbach benötigte in dieser Szene gleich drei Akteure, um Christian Mergner (am Ball) zu stoppen.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Christian Mergner wartet vor dem Fitnessstudio „Marcel Piekarczyk Sportsmed“. Der Kreisläufer des Handball-Regionalligisten SG Ratingen ist von der Uni in Gelsenkirchen, wo er im siebten Semester BWL studiert, zu dem Studio gefahren, es liegt auf dem Rückweg zu seiner Wohnung in Düsseldorf. Es ist aber nicht der einzige Grund, warum er hier zusätzlich zu den Handball-Einheiten trainiert. „Marcel hat mich in der Reha nach meinem Kreuzbandriss betreut“, erklärt der 27-Jährige. „Er war total engagiert und hat mir einen Trainingsplan zusammengestellt für Schnelligkeit und Schnellkraft. Hier kann ich handballspezifische Sachen machen, die in anderen Studios nicht so möglich sind.“ Die Gelegenheit, sich das mal anzusehen.

Im Studio hat Mergner vorab eine Gast-Karte für mich besorgt, Auszubildender Alexander überreicht sie mir, so kann ich meine Kleidung in der Umkleide einschließen. In Sportklamotten geht es ins Studio, das modern eingerichtet ist, aber ohne den großen Schnickschnack auskommt. Spiegel gibt es hier tatsächlich nur, wo sie nötig sind, und nicht an jeder Stelle, wo manch einer seinen Bizeps beobachten möchte.

Apropos Bizeps – der von Mergner hat ungefähr die Ausmaße der Wade eines Radprofis, der die Bergwertung der Tour de France gewinnt. „Wir haben mit Chris auch schon mal Maximalkrafttraining gemacht“, sagt Azubi Alexander. „Da hat er beim Kreuzheben 190, 200 Kilo gestemmt. Da stand ich auf der einen Seite der Hantel und ein Kollege auf der anderen, um das zu sichern. Wir wussten aber nicht, ob wir auch nur die eine Seite von dem Gewicht halten können, das er stemmt.“

Mergner startet erst einmal auf dem Fahrrad, die Muskulatur schon mal leicht erwärmen. Gelegenheit, für ein Interview. Als Anmerkung: In der Regel werden Interviews in „Sie“-Form veröffentlicht, auch wenn sich die Gesprächspartner normalerweise duzen. In einem Fitnessstudio ist der Rahmen aber so locker, dass die folgenden Interview-Teile auch in „Du“-Form wiedergegeben werden.

Wie oft gehst du
ins Fitnessstudio?

Christian Mergner: Viermal pro Woche, zusätzlich zu den vier Trainingseinheiten, die wir bei der SG haben.

Reicht Handball-Training nicht?

Mergner: Ach, wir machen alle noch Fitnesstraining nebenher. Als Student habe ich jetzt auch die Zeit dafür und kann das gut nutzen. Seitdem habe ich auch keine großen Verletzungen mehr gehabt – toi, toi, toi. Das ist so der erste Erfolg, den ich mir damit erarbeitet habe.

Was gibt dir
Fitnesstraining noch?

Mergner: Wie gesagt: Gerade hier kann ich handballspezifisch arbeiten. Das ist besser als stumpf Gewichte zu stemmen – das mache ich zwar auch (lacht), aber hier kann ich gezielter an Dingen arbeiten, die ich als Kreisläufer brauche: schnelle Drehungen, explosives Rausspringen und die schnellen Seitwärtsbewegungen für die Abwehr. Generell kriege ich in einem Studio den Kopf gut frei. Handball hat schon auch mit Stress zu tun, aber hier habe ich keinen Druck. Und es ist doch schöner, als immer nur feiern zu gehen.

Mergner ist fertig mit dem Rad, geht zum Turm mit der Hantelstange, macht dort die ersten Kniebeugen noch ohne Gewicht. Er gewöhnt seinen Körper nach und nach an mehr: auf jeder Seite erst eine Scheibe mit zehn Kilogramm, nach jedem Set legt er mehr auf. Am Ende sind es insgesamt vier Scheiben zu 15, zwei zu 20 und zwei zu zehn Kilo – also 120 Kilogramm, die er frei auf den Schultern hat, um damit Kniebeugen zu machen – es geht heute nicht um Maximalkraft. Bei jeder Beuge knackt das rechte Knie.

Wo hattest du den
Kreuzbandriss?

Mergner: Im rechten Knie.

Hört man.

Mergner: Solange es nur knackt und keine Probleme macht, ist doch alles gut.

Die Kniebeugen sind nur ein Teil des „Drei-Phasen-Trainings“, wie Azubi Alex erklärt: „Es geht um Kraft, Schnelligkeit und Reaktion.“ Die letzten beiden Dinge kommen nun in dieser Übung hinzu: Mergner schnallt sich in einer Weste an einen Seilzug mit Gewicht fest, Alex steht vier, fünf Meter entfernt, einen Handball in der Hand. Er wirft ihn hoch, Mergner läuft, von den Gewichten am Seilzug gehalten, los und fängt den Ball in zwei, drei Metern Entfernung zum Seilzug auf, bevor der Ball ein zweites Mal auf den Boden prallt. Die Reaktion wird geschult, da der 1,91-Meter-Mann seine 100 Kilogramm im richtigen Moment bewegen muss, um den Ball rechtzeitig aufzufangen, die Gewichte des Seilzugs trainieren die Schnellkraft der Beine. Ein Selbsttest zeigt – im Gehen komme ich mit diesem Gewicht vielleicht anderthalb Meter weit – ins Tempo sicher nicht. Bevor es peinlich wird, lieber was fragen.

Ihr seid nicht sonderlich
gut in die Saison gestartet. Woran liegt’s?

Mergner: Die Frage habe ich erwartet (grinst). Ich weiß es nicht. Wenn wir es wüssten, könnten wir es ja abstellen. Vielleicht haben wir uns im Angriff noch nicht so gefunden. Wir trainieren wie die Weltmeister, aber wir haben noch kein richtiges Mittel gefunden, um das konstant umzusetzen. Wir sind zwar ohne viele Zugänge gestartet, aber die Formkurve zeigte zuerst eher nach unten als nach oben. Woran das liegt, kann ich auch nicht erklären. Es ist nicht so, dass wir nicht daran arbeiten würden, das zu ändern.

Seid ihr vielleicht zu locker an die Aufgabe rangegangen als einzige Mannschaft,
die den Aufstieg als Ziel
formuliert hat?

Mergner: Nein. Wir wissen, wie schwierig die Liga ist – jeder versucht, gegen uns das beste Spiel zu machen, und leider gelingt das vielen dann auch. Aber wir haben uns sicher nicht leichtfertig auf die Saison vorbereitet.

Während Mergner noch ein paar Stabilisationsübungen macht, bauen die Studio-Mitarbeiter die nächste Übung auf: Vier hüfthohe dicke Matten werden im Halbkreis vor dem Seilzug aufgestellt, auf jeder wird ein Sensor platziert, der blau leuchtet. Mergner schnallt sich die Weste wieder um, ein Countdown läuft auf den Sensoren. Das blaue Leuchten erlischt, dann erstrahlt einer der Sensoren in grün – Mergner läuft mit dem Gewicht des Seilzuges dorthin, stoppt das Grün mit der ausgestreckten Hand, springt danach noch zum Block eines virtuellen Gegners hoch, landet, kontrolliert das Zuggewicht und läuft rückwärts zurück. Dann leuchtet schon der nächste Sensor in Grün auf, selbes Spiel, und so weiter. Die Übung schult Kraft, Schnelligkeit und das sogenannte periphere Sehen, das die Wahrnehmung von Gegnern oder Aktionen aus den Augenwinkeln ermöglicht. Es gibt drei Durchgänge à 30 Sekunden, auch ohne Gewicht ist die Übung für Laien anspruchsvoll. Mergner macht zwischendurch noch Stabi-Training und beschließt die Einheit im Fitnessstudio mit Übungen für den Rumpf – die Muskulatur des unteren Rückenbereiches ist für Handballer ohnehin sehr wichtig. „Jetzt merke ich schon, dass es ein langer Tag war“, sagt Mergner in der Umkleidekabine. Um 8.30 Uhr hatte er die erste Vorlesung in Gelsenkirchen, um kurz vor 19 Uhr ist das Training beendet, dann fährt er zurück zu seiner Wohnung nach Düsseldorf.

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