Viermal Gütesiegel „Made in Canada“

Berlin (dpa) - Das Gütesiegel „Made in Canada“ hat sich in der Pop- und Rockmusik längst durchgesetzt. Da muss man nicht immer an Joni Mitchell, Neil Young oder zuletzt Arcade Fire und Rufus Wainwright denken.

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Der April liefert vier frische Beispiele.

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Grandioser Grusel: TIMBER TIMBRE - „Hot Dreams“

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Das Meisterstück in diesem Ahornblatt-Quartett stammt von Timber Timbre, dem Bandprojekt um Multiinstrumentalist, Songwriter und Sänger Taylor Kirk aus der Provinz Ontario. Zu Cinemascope-Klängen, die mal an Spaghetti-Western-Soundtracks, dann wieder an Grusel-Scores von David Lynch erinnern, croont Kirk mit lässigem Bariton zwischen Stuart Staples (Tindersticks), Richard Hawley und Nick Cave.

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Doch wer nun meint, dass hier viele disparate Einflüsse zu einem wüsten Stilmix zusammengerührt werden, irrt sich. Denn die zehn Songs von „Hot Dreams“ (Full Time Hobby/Rough Trade) spielen grandios mit Atmosphäre und Stimmungen, in die man sofort tief eintaucht.

„Beat The Drum Slowly“ und der Titelsong (beide schon mit tollen Videoclips eingeführt) ziehen den Hörer sogartig in das düstere Herz dieses hocheleganten Folkpop-Albums. „Grand Canyon“ scheut nicht vor Anleihen bei „Rivers Of Babylon“ zurück, überführt die Referenz aber mit den Streichersätzen von Mika Posen in ein weites Calexico-Arrangement.

Da Timber Timbre schon mit dem kaum weniger ausgereiften Vorgänger „Creep On Creepin' On“ (2012) für diverse kanadische Musikpreise nominiert waren, sollte eine Ehrung diesmal fällig sein - ein besseres kanadisches Album als „Hot Dreams“ wird 2014 wohl kaum erscheinen.

Wertung: 5 von 5 Ahornblättern

Waldhütten-Folk: AIDAN KNIGHT - „Small Reveal“

Ein durchweg spannendes Songwriter-Werk mit Mut zum (maßvollen) Bombast legt Aidan Knight aus der kanadischen Provinz Vicoria vor - als hätten sich Justin Vernon, Ryan Adams und Rufus Wainwright für eine gemeinsame Platte verbündet.

Schon der Opener von „Small Reveal“ (Outside/Cargo) ist brillant: Fast schüchtern legt Knight los, nur mit Klampfe und seinem einnehmenden Gesang. Immer mehr Instrumente und Stimmen treten hinzu, bis „Dream Team“ innerhalb von sieben Minuten zu einer gewaltigen Wall Of Sound anwächst. Der Akustik-Schlusspunkt „Margaret Downe“ ist ähnlich intensiv - und auch dazwischen findet sich viel Gutes und Schönes.

Wie zuletzt so oft bei nordamerikanischen Folkrock-Projekten ist dieses Album in einer Waldhütte irgendwo im Nirgendwo entstanden. Der Sound ist jedoch nicht so reduziert wie beim legendären Ganz-weit-draußen-Debüt von Bon Iver.

Sogar ein programmatisches Lied wie „Singer/Songwriter“ klingt in den Händen von Aidan Knight eher nach vielköpfiger Band. Und eine solche war ja auch tatsächlich am Werk: Neun Musiker - viele davon jeweils an einem halben Dutzend Instrumenten - nennt das Booklet. Nicht alles gelingt dem jugendlichen Chamber-Pop-Ensemble - so unterbrechen drei orchestrale Instrumentals leider den Flow des Albums. Aber das sind Marginalien - „Small Reveal“ ist ein geglücktes Album eines talentierten Folkpop-Songwriters.

Wertung: 4 von 5 Ahornblättern

Musikalisches Roadmovie: LEIF VOLLEBEKK - „North Americana“

Ryan Adams wurde schon als Inspiration für Aidan Knight genannt - deutlicher noch wird dieser prägende Einfluss beim neuen Album des Montrealer Singer/Songwriters Leif Vollebekk. Bis zur angeraut-kratzigen Stimmfärbung orientiert sich der 27-jährige Kanadier am großen US-Kollegen, der vor gut zehn Jahren mit „Heartbreaker“ und „Gold“ zeitlose Platten vorlegte und seitdem nie wieder an solche Großtaten anknüpfte. Vollebekk hat nun ein Album gemacht, auf das Ryan Adams stolz sein könnte.

„North Americana“ (Outside/Cargo) ist ein musikalisches Roadmovie mit kargem Folk-Blues („Cairo Blues“, „From The Fourth“), zarten Klavierballaden („Photographer Friend“, „A Wildfire Took Down Rosenberg“) und Countryrock-Epen („At The End Of The Line“, „When The Subway Comes Above The Ground“). Man hört diesen schönen Liedern an, dass sie mehr oder weniger „live-on-tape“ eingespielt wurden, dass Vollebekk sich Zeit nahm und wartete, „bis der eine, der richtige Moment dafür gekommen war“.

Pedal Steel, Saxofon, Mundharmonika und die Violine von Sarah Neufeld (Arcade Fire) polstern den Sound etwas aus, aber meist verkneift sich dieser struppig wirkende Singer/Songwriter jeden überflüssigen Zierrat.

Wertung: 4 von 5 Ahornblättern

LoFi-Pop-Perlen: MAC DEMARCO - „Salad Days“

Kräftig bejubelt wird in Fachkreisen schon seit längerem der charmante LoFi-Pop des jungen Singer/Songwriters Mac DeMarco aus Edmonton in der kanadischen Provinz Alberta. Nach einer EP und dem Albumdebüt „2“ entpuppt sich der 23-Jährige auf „Salad Days“ (Captured Tracks/Cargo) nun endgültig als Erbe eines Beck Hansen oder Stephen Malkmus (Pavement).

Auch noch größere Namen wie Bob Dylan und John Lennon (der lässig-nasale Gesang) und Paul Simon (die Afropop-Färbung mancher neuer Songs) kommen in den Sinn. Referenzen hin oder her: Die kompakten 35 Minuten dieser Platte vergehen jedenfalls wie im Flug.

Schon im Opener und Titelsong findet DeMarco zu einem windschief-luftigen Slacker-Sound eine eigene Stimme. Leicht verstimmt klingen die Gitarren auch in „Blue Boy“. Mit „Brother“ und „Let Her Go“ versucht sich der Basecap-Träger als Pop-Crooner für abgeschabte Provinzbars. Zum Ende hin fransen die Lieder ein wenig aus, wie überhaupt manches auf diesem Album so gar nicht durchkonstruiert wirkt.

Aber das macht den Reiz von Mac DeMarcos Musik ja aus - so wie sich Beck vor 20 Jahren als „Loser“ geißelte, findet auch dieser Kanadier mit der witzigen Zahnlücke seinen Spaß im Unperfekten. Und das bringt er perfekt rüber.

Wertung: 4 von 5 Ahornblättern

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