Janelle Monáe und die Erneuerung des Soul

Berlin (dpa) - Es klingt manchmal etwas wirr, wenn Janelle Monáe in Interviews den Hintergrund ihrer Musik ausmalt. Man kann all die Theorien über Feminismus, Androiden und afroamerikanische Identität aber auch ausblenden - und ein sensationelles Soul-Album genießen.

Schon mit dem EP-Debüt „Metropolis“ (2008) und dem hochgelobten Studiowerk „The ArchAndroid“ (2010) tauchte die Amerikanerin als stimmgewaltiges, hyperaktives Mega-Talent aus der Masse austauschbarer Soul-Girlies auf. Auf „The Electric Lady“ (Warner) setzt sie die groß angelegte Konzept-Story des Kunstwesens Cindi Mayweather aus der fernen Zukunft nun so ambitioniert, wohl auch größenwahnsinnig fort, wie man es sich erhofft hatte.

Und weil Janelle Monáe etwas weniger genreüberschreitend und überbordend zu Werke geht, sondern sich verstärkt auf die Spielarten schwarzer Musik konzentriert, könnten die Verkaufszahlen diesmal durchaus mit den Kritikerhymnen Schritt halten. Zu wünschen wäre es der eigensinnigen jungen Dame auf jeden Fall - auch wenn sie selbst kommerzielle Interessen weit von sich weist.

Die 27-Jährige inszeniert sich mit ihrer Haartolle, dem Nobel-Make-up und ihrer exzentrischen „Uniform“ (weiße Bluse, schwarzer Hosenanzug, Fliege) erneut als stolzes Gegenbild zu halbnackten Soul-Sexbomben wie Rihanna oder Beyoncé. Aber eben auch als Kunstfigur, die weit entfernt ist von den üblichen Marktmechanismen. „Ein Popstar bin ich schonmal gar nicht. Das hieße ja, ich würde Musik für die Massen machen. Aber ich bin einzigartig und kompromosslos in meinem künstlerischen Glauben“, sagte Monáe kürzlich geradezu empört dem Magazin „Kulturnews“.

Deshalb redet sie gern über Science-Fiction-Sex, durchlässige Geschlechterrollen und das Selbstbewusstsein farbiger Frauen. Auch die Titelfigur des neuen Albums sei „eine starke Frau, die völlig angstfrei durchs Leben geht. Sie ist so stark, Du kannst förmlich ihre Elektrizität spüren. Es gibt viele Electric Ladys in der Welt. Ich bin eine davon.“ In den USA wird über vermeintlich lesbische Untertöne ihrer Texte schon fast mehr diskutiert als über Monáes Musik. Dabei hat die es auch auf dem dritten Werk in sich.

Kollaborationen mit ihrem Helden Prince (der im treibenden „Givin' 'em What They Love“ auch mitsingt), ein fantastisch groovendes Duett mit der Kollegin Erykah Badu („Q.U.E.E.N.“), ein Schlafzimmer-Soul-Song mit US-Jungstar Miguel, eine Stevie-Wonder-Hommage (das Album-Highlight „Ghetto Woman“), die traumhaft schön gesungene Ballade „Victory“, Ausfüge in orchestrale Filmmusik, Jazz, Hip-Hop und Latin: Wie schon auf „The ArchAndroid“ kennt Janelle Monáe keine Furcht. Auch wenn Indierock-Elemente diesmal weitgehend draußen bleiben, der Sound etwas glatter klingt - etwa im leider recht zahmen Reggae/Soul-Hybrid „What An Experience“ zum Abschluss.

Aber das ist auch schon der einzige Einwand gegen die 67 kurzweiligen Minuten von „The Electric Lady“, einem der überragenden und innovativsten Soul-Alben des Jahres. Ob Janelle Monáe mit ihrem Stil, ihrem Talent, ihren Ambitionen irgendwann zum großen Idol Madonna („Wir beide sind Alpha-Frauen“) aufschließen kann? Es wäre ein wohltuende Entwicklung für die Popmusik insgesamt.

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