Karlsruhe kritisiert EZB-Krisenpolitik und gibt Entscheidung ab

Karlsruhe (dpa) - Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise fuhr EZB-Präsident Draghi schwere Geschütze auf: Wir kaufen ohne Limit Anleihen klammer Staaten, versprach er. Doch darf die EZB das? Karlsruhe sagt Nein und lässt nun den Europäischen Gerichtshof entscheiden.

Karlsruhe kritisiert EZB-Krisenpolitik und gibt Entscheidung ab
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Das Bundesverfassungsgericht stellt das Herzstück der Euro-Rettung infrage: Die Karlsruher Richter bezweifeln, dass die Europäische Zentralbank unbegrenzt Staatsanleihen von klammen Euro-Staaten kaufen darf. Diesen Ankauf hatte die EZB auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise im Sommer 2012 versprochen, jedoch nie vollzogen. Allein die Ankündigung beruhigte die Märkte. Nun soll nach dem Willen der höchsten deutschen Richter der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären, was die Währungshüter bei der Euro-Rettung dürfen, und was nicht.

Das Programm, das im Fachchinesisch OMT (Outright Monetary Transactions) heißt, sieht in Kurzform so aus: Wenn sich klamme Staaten nur noch zu sehr hohen Zinsen frisches Geld leihen können, soll die EZB eingreifen und Staatsanleihen der betroffenen Länder kaufen. Kritiker werten dies als verbotene Staatsfinanzierung durch die EZB.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte diese Maßnahme im Sommer 2012 mit den Worten angekündigt: „Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen.“ Das wird bis heute als Wendepunkt der Euro-Schuldenkrise gesehen.

Die Karlsruher Richter sind aber mehrheitlich der Ansicht, dass die EZB damit ihre Kompetenzen überschreitet: „Der OMT-Beschluss dürfte nicht vom Mandat der Europäischen Zentralbank gedeckt sein“. Deshalb solle der Europäische Gerichtshof den Fall prüfen. Es ist das erste Mal, dass das Verfassungsgericht dem EuGH eine Rechtsfrage zur Prüfung vorlegt.

Die EZB dürfe nach den Europäischen Verträgen keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben, sagt Karlsruhe weiter. Außerdem gehen die Richter davon aus, dass der Beschluss gegen das im europäischen Recht festgeschriebene Verbot einer Mit-Finanzierung von Staatshaushalten verstößt.

Die Währungshüter in Frankfurt widersprachen umgehend: „Die EZB unterstreicht erneut, dass das OMT-Programm im Rahmen ihres Mandats ist.“ Auch die EU-Kommission hält das Anleihen-Kaufprogramm für rechtmäßig, wie ein Sprecher sagte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hofft auf eine schnelle Entscheidung des EuGH und betonte: „Ich sage, ... dass für uns die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht stehen.“

Welche Folgen die Karlsruher Entscheidung für die Krisenpolitik der EZB haben wird, war zunächst unklar. Die Finanzmärkte reagierten gelassen: Die Börsen rutschten kurz leicht ins Minus, legten dann aber zu. Der Euro gewann ebenfalls hinzu.

Marktexperten wie die Volkswirte der Commerzbank gehen nicht davon aus, dass sich der EuGH der Auffassung des Verfassungsgerichts anschließen wird. Auch der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung(ZEW) Clemens Fuest sagte, vom EuGH werde erwartet, dass er das OMT-Programm eher freundlich sehe.

Der CSU-Vize und Euro-Skeptiker, Peter Gauweiler, sah sich dagegen durch die Karlsruher Entscheidung bestätigt. Das Gericht habe erkannt, dass Draghi „zu verschleiern versucht hat, dass die EZB in Wirklichkeit mit dem Geld der Steuerzahler die Finanzierung der überschuldeten Staaten subventioniert“, hieß es in einer Mitteilung. Gauweiler ist einer der Kläger in dem Fall.

Die EZB kann allerdings nicht aus eigener Initiative tätig werden. Sie müsste auf einen entsprechenden Hilfsantrag eines Landes warten. Das Land muss dann im Rahmen eines Hilfsprogramms unter den Euro-Rettungsschirm ESM schlüpfen und dafür strenge Spar- und Reformauflagen erfüllen. Und: Bevor die EZB konkret Anleihen aufkaufen könnte, müsste der Bundestag ohnehin Rettungshilfen zustimmen.

Offen ist, wie lange die Luxemburger Richter für ein Urteil brauchen werden. Das Finanzministerium in Berlin verwies darauf, dass der EuGH über ein beschleunigtes Verfahren verfüge und in einem Fall beispielsweise schon nach knapp vier Monaten entschieden habe. Bei komplexen Verfahren dauere es aber in aller Regel deutlich länger.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, rechnet damit, dass die EZB das Programm bis zu der Entscheidung der Luxemburger Richter nicht anwendet.

Auch in Karlsruhe geht es in Sachen Euro-Schuldenkrise demnächst weiter: Am 18. März will das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt verkünden.

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