Bertelsmann-Stiftung für internationale Ratingagentur

Gütersloh/Washington (dpa) - Das Ringen um eine neue Ratingagentur als Gegengewicht zu den US-Platzhirschen geht weiter: Die Bertelsmann-Stiftung hat ein Konzept für ein Benotungsunternehmen vorgelegt, an dem sich auch Regierungen beteiligen können.

„Fragwürdige Beurteilungen der Bonität von Staaten haben erheblich zu der jüngsten Finanzkrise beigetragen“, betonte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Gunter Thielen, am Dienstag in Gütersloh. „Wir benötigen dringend eine zusätzliche, unabhängige Institution für die Bewertung von Länderrisiken, und wir müssen die Qualität der Länderratings verbessern.“

Die Bertelsmann-Stiftung will nun die G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer von dem Vorschlag überzeugen. Die geplante, nicht gewinnorientiert arbeitende Ratingagentur INCRA (International Non-Profit Credit Rating Agency) soll von einem Fonds im Volumen von 400 Millionen Dollar (306 Mio Euro) finanziert werden, aus dessen Ausschüttungen die laufenden Kosten getragen werden. Beteiligen können sich daran Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Privatleute. Bisher dominieren die Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch den Markt und verdienen mit ihren Benotungen Geld.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hatte am Montag eingeräumt, dass sie nach monatelangen Gesprächen noch keine konkreten Zusagen von Investoren für eine europäische Ratingagentur als Konkurrenz zu den Anbietern aus den USA erhalten hat. Das Startkapital von 300 Millionen Euro sollte die Finanzindustrie aufbringen.

INCRA soll sich ausschließlich auf Länderratings und Benotungen internationaler Organisationen beschränken. Die US-Konkurrenten würden diesen Bereich eher als Imagefaktor betrachten und ihre Ressourcen auf die Bewertungen von Unternehmenspapieren konzentrieren, mit denen sie auch ihr Geld verdienen, heißt es bei der Bertelsmann-Stiftung. Die INCRA-Ratings sollen nichts kosten. Den US-Ratingagenturen wird ein zu großer Einfluss auf die Finanzmärkte während der Eurokrise vorgehalten.

Die Bundesregierung hatte am Montag erneut betont, dass sie staatliche Beteiligungen an neuen Ratingagenturen ablehnt, da die Märkte dies als politische Einflussnahme bewerten würden. Die Bertelsmann-Stiftung will dieser Kritik mit einem „Sicherheitspuffer“ begegnen, erläuterte die zuständige Managerin in Washington, Annette Heuser. Ein Gremium, das zwischen Geldgebern und operativem Geschäft angesiedelt ist, solle „Interessenkonflikte möglichst ausschließen“.

Außerdem seien Länderratings von öffentlichem Interesse: Daher könne das Ansehen von Ratingagenturen davon profitieren, wenn sich mehr gesellschaftliche Akteure dort engagieren, meint Heuser. Die Bertelsmann-Stiftung will auch Investoren in Asien und Lateinamerika bei dem INCRA-Projekt einbinden. Auf eigene Faust möchte die Stiftung, die die Mehrheit am Medienkonzern Bertelsmann hält, das Projekt jedoch nicht in die Tat umsetzen. „Jetzt ist es an den Staats- und Regierungschefs, dies zu diskutieren“, betonte Heuser.

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