Libyen-Heimkehrer berichten von blutigen Protesten

Frankfurt/Main (dpa) - Die Zwillinge strahlen und fallen ihrer Tante in die Arme. „Wir sind wieder da“, rufen die Jungs. Gerade haben die beiden Siebenjährigen die Sondermaschine aus Libyen verlassen, die sie aus dem krisengeschüttelten Land ausgeflogen hat in die sichere Heimat.

Ihre Tante wischt sich am späten Dienstagabend auf dem Frankfurter Flughafen die Tränen aus den Augenwinkeln. „Wir hatten Angst und wollten nur noch raus“, sagt Christian Treusch, der Vater der Zwillinge. Die letzten Tage in dem von blutigen Protesten geprägten Land seien „schlimm“ gewesen, die Unruhen hätten viele Ausländer in Libyen „extremst überrascht“.

Seit 8.00 Uhr morgens hatte die Familie am Flughafen Tripolis ausgeharrt, bis sie die erlösende Nachricht erreichte: Sie bekommen vier der rund 300 Plätze in der Lufthansa-Maschine von Tripolis nach Frankfurt. „Wir haben zwar keine Toten gesehen, aber viele Schüsse gehört“, schildert Treusch die letzten Tage in dem von bürgerkriegsähnlichen Kämpfen erschütterten Land. „Wir fühlten uns nicht wohl und wir wollten zurück.“

Wie leer gefegt seien die Supermärkte gewesen, die Essensvorräte der Familie waren aufgebraucht. „Jetzt sind wir gerade einfach erleichtert, wieder zurück zu sein“, sagte Treusch. Der Naumburger war beruflich nach Libyen gezogen, erst vor sechs Wochen hatte er Frau und Kinder nachgeholt. Die Lust an dem nordafrikanischen Land ist ihm aber nicht vergangen: „Man kann sich frei bewegen dort. Wir wollen wieder zurück, wenn sich die Lage beruhigt hat.“

Rund drei Stunden später als erwartet war die Maschine der Lufthansa in Frankfurt gelandet. Wenig später landen in Malta zwei Transall-Maschinen der Bundeswehr, die ebenfalls Deutsche aus der libyschen Hauptstadt Tripolis ausgeflogen hat.

Auch Eva King-Leonhard ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Gerade hat sie ihre Tochter umarmt: „Das ist ein Riesen-Aufstand da drüben, die Bevölkerung bewaffnet sich und viele machen Hamsterkäufe“, erzählt die Angestellte eines Bauunternehmens. Die Lage werde in Libyen verharmlost. Alle Einheimischen sagten ihr, sie solle sich keine Sorgen machen. „Ich wünsche jedem, der noch dort ist, dass er raus kommt.“

Sie hat mit dem Ausmaß von Protesten und Gewalt nicht gerechnet: „Es gab keine Anzeichen einer Eskalation“, erklärt die Wormserin, die für eine Stuttgarter Firma in Libyen war. „Dann hat das Ganze eine unglaubliche Dynamik angenommen, das war innerhalb von 24 Stunden, das alles gekippt ist.“

Wolfgang Beißwenger war nicht geschäftlich, sondern als Tourist in Libyen. Zu Fuß hat er eine Tour durch die Wüste gemacht. „In kleinen Ortschaften habe ich von Unruhen nichts gespürt“, berichtet er. „In der Hauptstadt ging es natürlich chaotisch zu, aber wir Deutsche haben ja das Glück, ausreisen zu können.“

Eine zunächst schockierende SMS erhielt das Ehepaar Rosenau um 3.00 Uhr in der Nacht zum Dienstag von ihrem Sohn aus Libyen. „In Tripolis werden schon Bomben geworfen“, schrieb er. Aber er werde am nächsten Tag ausreisen können. Weniger als 24 Stunden später ist Rosenaus Sohn zurück in Deutschland. „Wir sind so dankbar, dass er sicher zurück ist“, sagt seine Mutter mit Tränen in den Augen.

Ihr Sohn, die Treusch-Zwillinge, Beißwenger - sie alle sind sicher aus dem Land zurück. Andere halten sich nach wie vor in Libyen auf. Nach Auskunft von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) von Mittwoch sollen noch etwa 250 deutsche Staatsbürger dort sein. Davon befänden sich 150 in der Hauptstadt Tripolis und weitere 100 im Landesinneren, sagte Westerwelle in Berlin. Ein Bundeswehr-Airbus mit Platz für rund 100 Passagieren landete am Vormittag in Tripolis, eine weitere Sondermaschine mit etwa 330 Plätzen wurde für den frühen Mittwochnachmittag dort erwartet.

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