Mehr als Provokation : Gauland schiebt die AfD immer weiter nach rechts
Berlin (dpa) - Es ist ja nicht das erste Mal. Den Fußballprofi Jerome Boateng wollte er nicht als Nachbarn und die frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen“.
AfD-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland weiß genau, was er sagt, auch wenn er sich danach über vermeintlich überzogene Reaktionen wundert. So auch jetzt: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ Aus dem Zusammenhang gerissen? Falsch verstanden? Die Empörung ist jedenfalls so groß, dass Gauland sich am Montag zu einer Relativierung seiner Äußerung veranlasst sieht.
Gezielte Provokationen gehören zum Politikverständnis der AfD. Das wird immer wieder auch im Bundestag sichtbar, seit die Partei den Sprung ins Parlament geschafft hat. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht in Gaulands Äußerung aber mehr als das: „Das ist keine Provokation, sondern Ausdruck einer strategischen Gesinnung und Ausrichtung der Partei“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Die AfD wolle eine andere Republik.
Dabei hat die Alternative für Deutschland seit ihrer Gründung 2013 mehrere Stufen der Radikalisierung hinter sich. Von der eurokritischen Partei unter Bernd Lucke zur rechtskonservativen AfD von Frauke Petry bis zur stramm nationalistischen Kraft mit kräftigen völkischen Akzenten. Dabei war der AfD in allen Phasen ihrer Entwicklung das Bemühen gemeinsam, die rechte Flanke offen zu halten.
Besonders drastisch war der Ruck nach Rechts auf dem Parteitag Ende 2017 in Hannover. Der gemäßigte Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski scheiterte, nicht zuletzt, weil er für das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke gestimmt hatte. Gauland - schon Fraktionschef im Bundestag - wurde auch Parteivorsitzender.
„Die Partei ist nicht fähig, sich von weit rechts, auch von Neonazis, abzugrenzen“, betont der Extremismus-Forscher Funke. Zur aktuellen Parteiführung sagt er: „Das sind Überzeugungstäter.“ Dies gelte auch für Gaulands Co-Fraktionschefin Alice Weidel. „Es geht ihnen nicht um ein Prozent mehr oder weniger. Sie wollen eine andere Republik.“ Dabei mache sich die AfD verbreitete Protestmotive zunutze, etwa gegen soziale Ungleichheit, gegen Unsicherheiten der Welt.