Politik Personalhickhack bei der AfD

Die AfD steht in Hannover vor einem turbulentem Parteitag. Die Fraktionsspitze wurde am Donnerstag im Schloss Bellevue von Bundespräsident Steinmeier empfangen.

 Die AfD steht in Hannover vor einem turbulentem Parteitag.

Die AfD steht in Hannover vor einem turbulentem Parteitag.

Foto: Oliver Dietze

Berlin. Als einen „gärigen Haufen“, bei dem noch vieles in Entwicklung sei, beschrieb Fraktionschef Alexander Gauland vor kurzem seine AfD. Das dürfte sich am Wochenende in Hannover erneut bestätigen. Vor der Kulisse mehrerer Gegendemonstrationen werden beim dortigen Bundesparteitag massive Auseinandersetzungen um die Führung, den Kurs und organisatorische Fragen erwartet. Gauland selbst mischt kräftig mit.

Wer künftig „Sprecher“, also Vorsitzender der AfD sein soll, ist das wichtigste Thema in Hannover, die Gemengelage ist unübersichtlich. Und das nicht nur, weil es bis zur letzten Minute Bewerbungen geben kann. Online waren bis Donnerstag schon vier Anmeldungen abgegeben worden. Hinter der Debatte stecken die alten Streitigkeiten zwischen dem eher gemäßigten Flügel und den Rechtsnationalisten.

Es wird schon mit der Frage beginnen, wie viele Sprecher man überhaupt haben will. Ein Antrag der Rechtsnationalen sieht vor, es bei einem zu belassen, statt wie derzeit zwei. Das wäre wahrscheinlich der Baden-Württemberger Jörg Meuthen, der das Amt zuletzt zusammen mit der inzwischen ausgetretenen Frauke Petry innehatte. Meuthen (56) geriet in jüngster Zeit allerdings in Kritik, weil er neben seinem Landtagsmandat in Stuttgart als Nachrücker auch noch ins Europaparlament gezogen ist, also zwei Parlamentssitze gleichzeitig hat. Nur für eine Übergangszeit, wie er behauptet. Doch Meuthen-Gegner haben das zum Anlass für Parteitagsanträge genommen, die sogar einen Parteiausschluss in solchen Fällen verlangen. Der Vorwurf: Raffke-Mentalität. In der AfD wird stets mit harten Bandagen gefochten.

 Alice Weidel und Alexander Gauland, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland (AfD), kommen, begleitet von Personenschützern, zum einem Treffen mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin. Steinmeier trifft seit dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen die Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien zu Gesprächen.

Alice Weidel und Alexander Gauland, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland (AfD), kommen, begleitet von Personenschützern, zum einem Treffen mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin. Steinmeier trifft seit dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen die Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien zu Gesprächen.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Falls die Mehrheit aber wieder zwei Sprecher haben will, tritt auch der Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski (66) an, ein ehemaliger Bundeswehroberst und Vertreter der Gemäßigten. Gegen ihn brachte sich am Donnerstag überraschend der 76jährige Gauland ins Spiel, der mit den Rechtsnationalen kooperiert. Freilich ohne sich schon endgültig festzulegen. Wie die Basis reagieren wird, ist offen, es gibt viele Argumente hin und her. So sagte der frühere Bundesgeschäftsführer Frank-Christian Hansel unserer Redaktion, dass Meuthen zu weit weg sei, um die Berliner Bundeszentrale zu führen, und Gauland daran kein Interesse habe. „Mit einer solchen Doppelspitze fliegt uns die Partei organisatorisch um die Ohren.“ Der bayerische Landeschef Martin Sichert, der lieber nur einen Parteichef haben will, fand mit Blick auf Pazderski: „Wer in Hannover zu sehr polarisiert, wird sich selbst demontieren“. Sichert nannte im gleichen Atemzug aber auch den Thüringer Rechtsausleger Björn Höcke. Dem werden Ambitionen auf einen der Posten als stellvertretender Vorsitzender oder Beisitzer nachgesagt. Hierfür liegen schon 27 Online-Bewerbungen vor — darunter keine einzige von einer Frau.

Fraktionschefin Alice Weidel und Gauland wurden am Donnerstag am Spätnachmittag im Schloss Bellevue von Frank-Walter Steinmeier empfangen, der mit allen Parteien sondiert, wie die gegenwärtige Regierungskrise zu lösen ist. Für die AfD war das ein wichtiges Signal der Anerkennung durch die etablierte Politik. In Hannover zeigt sich freilich die andere Wirklichkeit: Sie ist immer noch eine Partei im Werden. Viele Anträge zeigen, dass die Basis dem neuen Establishment in der eigenen Partei misstraut. Unter anderem wird verlangt, künftig in der Regel nur noch Mitgliederparteitage abzuhalten, an denen jeder teilnehmen kann und nicht wie jetzt nur 600 Delegierte. Und die Mandatsträger sollen fünf bis 15 Prozent ihrer Diäten abgeben. Ob man bei all den Organisations- und Personalfragen überhaupt zu inhaltlichen Debatten kommt, ist eher fraglich. Womölgich wäre es für das Ansehen der AfD besser, wenn einige der Anträge nicht behandelt würden. Darunter sind nämlich Vorstöße, die Nato zu verlassen und sich stattdessen mit Russland zu verbünden sowie ein Antrag, die „Sonderbehandlung“ Israels durch Deutschland zu beenden.

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