Analyse: Libor und Co. - worum es beim Zinsskandal geht

Brüssel (dpa) - Für Internationale Großbanken war es eine lukrative Sache. Händler haben jahrelang den Referenzkurs von Zinssätzen wie Libor und Euribor beeinflusst. Mit der Trickserei konnten sie mehr Gewinn machen oder ihre brenzlige Lage vertuschen.

2012 flog alles auf. Jetzt zieht die EU die Konsequenzen. Die Deutsche Bank und andere müssen Rekordstrafen zahlen.

Was sind Libor, Euribor und Tibor?

Referenzkurse der Bankenbranche, die täglich angeben, zu welchen Konditionen Banken sich gegenseitig Geld leihen können. Aus diesen Daten wird in London der Libor (London Interbank Offered Rate) gebildet. Berechnet wird er für verschiedene Währungen. Während der Libor für Dollar-Geschäfte besonders wichtig ist, ist es der in Brüssel festgesetzte Euribor (Euro Interbank Offered Rate) für den Euro und der japanische Tibor für den Yen. Nach EU-Angaben basieren Finanzprodukte im Wert von tausend Billionen Euro auf diesen Sätzen - das ist eine Eins mit 15 Nullen.

Warum sind die Zinssätze so anfällig für Manipulationen?

Weil die Banken diese Sätze lange Jahre fast ohne Kontrolle selbst festlegen konnten. Sie basieren nicht auf realen Daten - also den Kosten von tatsächlichen Krediten - sondern auf Umfragen. Die Banken schätzen, zu welchem Zins sie sich von anderen Instituten Geld leihen können. Ob die gemeldeten Daten stimmen, ist nur schwer nachzuprüfen. Erst in der Finanzkrise fielen die Manipulationen auf.

Welches Interesse steckte dahinter?

Die Banken konnten Handelsgewinne einstreichen oder auch - auf dem Höhepunkt der Finanzkrise - ihr Institut besser dastehen lassen.

Wieviel Geld wurde mit den Tricksereien gemacht?

Das weiß niemand. Wegen des riesigen Volumens haben Manipulationen aber selbst im Mini-Promille-Bereich lukrative Auswirkungen.

Wem schadet das?

Anderen Banken, Unternehmen und auch Verbrauchern. Denn an Libor und Euribor orientieren sich weltweit die Zinsen von Finanzprodukten, Derivaten und Krediten. Sie sind die „Thermometer der Finanzmärkte“. Direkt beeinflusst werden Kredite mit variablen Zinssätzen. Diese sind vor allem in Großbritannien oder Spanien verbreitet; weniger in Deutschland, wo Häuslebauer oft Kredite mit festen Zinsen haben. „Es trifft Millionen von Verbrauchern, weil Hypotheken-Zinsen daran gekoppelt sind“, sagt EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Bankkunden könnte auch Schaden bei Sparguthaben entstanden sein. Dies zu messen, ist aber kaum möglich.

Was bedeutet die Strafe für die Banken?

Finanziell dürften die Institute die Geldbußen leicht stemmen können. Die Deutsche Bank etwa hat für die Strafe von 725,4 Millionen Euro bereits Rückstellungen gebildet. In jedem Fall bedeutet es aber einen Imageschaden. „Das Vertrauen in die Banken wurde von diesen selbst zerstört“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Wie geht die EU noch gegen solche Manipulationen vor?

Mit Kontrollen und Strafen. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission von September dürfen Libor und Euribor künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Zinsfälschern drohen hohe Geldbußen und Haftstrafen. Da EU-Parlament und EU-Staaten zustimmen müssen, könnten die Regeln aber erst 2015 Gesetz werden. Brüssel ermittelt zudem weiter gegen Großbanken, auch wegen Manipulation bei Devisen. „Das ist noch nicht das Ende der Geschichte“, sagt Almunia.

Wie wollen die Aufseher den Zockern noch das Handwerk legen?

In Großbritannien gibt es schon eine radikale Änderung: Im Juli haben die Regulierer den Banken den Libor aus der Hand genommen. Bisher war die britische Bankenaufsicht zuständig, ab 2014 stellt der Betreiber der New Yorker Börse, Nyse Euronext, den Zins fest. Dies soll neues Vertrauen schaffen. Die Europäische Zentralbank (EZB) pocht auf grundsätzliche Veränderungen im System.

Sind Zinsmanipulationen damit ausgeschlossen?

Nein, sagen Kritiker wie der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Die Briten hätten eine strengere Aufsicht über Zins-Zocker verhindert, weil sie um den Finanzplatz London fürchten. Denn die Aufsicht über den Libor bleibt in London - trotz der Skandale. Zudem müssten die Zinssätze nicht zwingend auf Basis realer Daten berechnet werden.

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