Thomas Bach: „Es gibt keine Wahlversprechen“

Buenos Aires (dpa) - Bevor die 125. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees den neuen Mann an der Spitze wählt, stellt der deutsche Favorit Thomas Bach in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa klar: „Es gibt keine Wahlversprechen.“

Frage: Wie erleichtert sind Sie denn, dass der Wahlkampf, die Anspannung und die Ungewissheit bald vorbei sind?

Antwort: Es wird jetzt Zeit, dass der Wahlkampf zu Ende geht. Ich fühle mich wie vor einem großen Finale und freue mich auf den Tag der Wahl. Ich habe lange genug trainiert, genügend Testwettkämpfe absolviert und will nun die Entscheidung.

Frage: Sie haben schon einige Wahlen mitgemacht. Wie haben Sie denn die letzten drei Monate erlebt?

Antwort: Die vergangenen Wochen waren sicher sehr intensiv. Nicht die Reisen waren anstrengend, sondern vor allem die Aufenthalte, weil ich mit so vielen Kollegen wie möglich sprechen wollte. Und diese Begegnungen waren eine gute Erfahrung.

Frage: Warum?

Antwort: Es gab viele Gelegenheiten, auch mit Kollegen zu sprechen, mit denen ich in der Exekutive oder in Kommissionen nicht regelmäßig zu tun hatte. Ich habe einige Kollegen besser kennengelernt. Das war äußerst interessant, spannend und auch ermutigend. Es hat mir gezeigt, dass die Themen, die ich in meinem Programm angesprochen habe, den Nerv meiner Kollegen getroffen haben.

Frage: Wie viele ihrer knapp 100 stimmberechtigten Kollegen reisen denn Ihrer Meinung nach unentschlossen nach Buenos Aires und wissen noch nicht, wer Nachfolger von Jacques Rogge werden soll?

Antwort: Das ist Kaffeesatzleserei. Das Besondere bei einer Präsidentenwahl ist, dass alle IOC-Mitglieder die Kandidaten schon lange kennen, sie einzuschätzen wissen und sich daher auch ein Urteil bilden können, wer wofür steht.

Frage: Wie siegessicher sind Sie?

Antwort: Bei dieser Frage kommt bei mir der Athlet durch. Ich weiß, dass die Testwettkämpfe gut gelaufen sind. Das motiviert und ermutigt mich, aber am Tag des Finals zählen alle vorherigen Ergebnisse nicht. Ich gehe ins Finale mit dem Wunsch zu gewinnen und dem Bewusstsein, verlieren zu können.

Frage: Und im Erfolgsfall werden Sie die Kollegen belohnen, die Sie bei der Wahl unterstützt haben?

Bach: Es gibt keine Wahlversprechen. Das bezieht sich auf Sachthemen, aber auch auf Personen. Ich habe Ideen und Pläne, über die Ausgestaltung muss man sich unterhalten. Ich habe bei der Präsentation aller sechs Kandidaten in Lausanne zum Dialog aufgerufen. Dies fanden viele IOC-Kollegen ehrlich, fair und authentisch. Es gibt viele Themen, die einer Erörterung bedürfen, und über die man sich unterhalten muss, aber ich habe keine Wahlversprechen gemacht.

Frage: Themen und Thesen sind ein Punkt, der Mensch und die Persönlichkeit ein anderer. Sie sagen immer, Sie sind nicht gut in der Rückschau. Trotzdem gibt es einige Menschen, die Ihre Karriere entscheidend geprägt haben. Wen würden Sie denn als ihre Mentoren bezeichnen?

Antwort: Meine Eltern waren meine Mentoren. Sie haben mich stark geprägt, weil ich doch sehr liberal erzogen wurde, aber auch zur Verantwortung gemahnt wurde.

Frage: Welche Rolle haben dann Juan Antonio Samaranch, Willi Daume oder Horst Dassler in Ihrer Karriere gespielt?

Antwort: Sie waren alle wichtige Wegbegleiter und Förderer. Jeder hat mir auf seine Weise für mein Leben und meine Laufbahn Impulse gegeben.

Frage: Und was haben Sie beim Fechten für Ihre Funktionärs-Karriere gelernt?

Antwort: Der Sport war für mich früher die einzige Möglichkeit, meine Neugier auf andere Länder, andere Menschen und andere Kulturen zu befriedigen. Ohne den Sport wäre ich damals nicht aus Tauberbischofsheim heraus gekommen. Und mein Drang, andere Dinge zu erleben, war schon sehr stark. Durch den Sport habe ich gelernt, mit Siegen und Niederlagen umzugehen.

Frage: Das klingt auswendig gelernt.

Antwort: Aber so war es.

Frage:Wie kritikempfindlich sind Sie eigentlich selbst?

Antwort: Ich glaube nicht, dass ich kritikempfindlich bin. Im Gegenteil. Wer mich im Umgang und in der Führung kennt, weiß, dass ich auf Dialog setze. Ich bin immer offen für sachliche und konstruktive Kritik, aber alles hat seine Grenzen. Wenn es klar unter die Gürtellinie geht, finde ich es legitim, sich zu wehren. Alles muss man sich nicht gefallen lassen.

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