Sechs Stunden zum Heimspiel: Wenn Gladbach-Fans keine Grenzen kennen

Mönchengladbach. Feierabend in der schweizer Gemeinde Wattwil: Wie viele Fußballfans setzen sich Andreas und Brigitte Schröder ins Auto und machen sich auf den Weg zum Heimspiel ihres Lieblingsklubs.

Die wenigsten Schweizer fahren allerdings nach Mönchengladbach. Doch Distanzen stören die fanatische Vereinsliebe des Fanpaares nicht. Sie verpassen kein Spiel, auch nicht auswärts. „Von uns zu Hause bis zum Borussia Park sind es 650 Kilometer. Wenn wir gut durchkommen, schaffen wir das in sechs Stunden“, sagt der 46-Jährige.

Die Liebe des gebürtigen Schweizers zu seinem Bundesligaklub ist eine Fernbeziehung, die jede Hürde gemeistert hat. Der Berufsschullehrer belegt bei der Arbeit extra eine 80 Prozentstelle, um Zeit für seine Fan-Reisen zu haben, eine Zweitwohnung in Mönchengladbach dient als Wochenenddomizil und die passende Frau, die seine Leidenschaft teilt, hat er auch gefunden. Natürlich eine Gladbacherin.

Kennengelernt hat sich das Paar 1995 beim Pokalfinale in Berlin. Das Team holte den Titel, Andreas Schröder fand die Frau fürs Leben — ein Sommermärchen. In der Schweiz ist der grenzenlose Fan ein Exot. Viele Landsmänner kennen die Borussia überhaupt nicht. „Die denken, die Raute mit dem großen B in meinem Garten ist für meine Frau Brigitte“, erklärt Schröder.

Er kam über seinen Vater zur Borussia. Der verfolgte die Deutsche Bundesliga, schaute jeden Samstag die Sportschau im TV. Schon bald interessierte sich der Schweizer nur noch für das Eine: „Irgendwann mussten sogar meine Eltern in die Schule kommen, weil ich den Lehrern mit meiner Borussia auf den Geist ging.“ Sein Vater habe immer gesagt, das werde sich im Alter schon legen. Es hat sich nie gelegt.

4600 Kilometer sind es vom Borussiapark nach Bagdad. In der Wohnung von Khalid Ismaiel klebt ein Borussia-Mönchengladbach-Poster an der Wand. Der 49-jährige Iraker schaut die Deutsche Bundesliga über arabisches Satelliten-Fernsehen. Der Ingenieur erklärt: „Als ich 15 war, interessierten sich in der Schule alle für europäischen Fußball.“

Während seine Klassenkameraden für Mannschaften wie Manchester United oder Real Madrid fieberten, interessierte sich Ismaiel immer schon für Deutschland. Als Borussia Mönchengladbach in der Saison 76/77 zum dritten Mal hintereinander die Deutsche Meisterschaft holte, wurde er Fan. „Ich fing an, mir das englische Fußball-Magazin Shoot zu kaufen. Das kam immer samstags raus und war ab Montag in Bagdad zu kaufen.“

Noch heute verfolgt er begeistert die Spiele des Teams, das ihm so nah und doch so fern ist. Ismaiel sagt: „Ich hoffe, ich kann irgendwann einmal das Borussia Park-Stadion besuchen.“ Eine Dauerkarte wird er sich wohl niemals kaufen.

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