Wenn alte Menschen plötzlich grantig werden

Köln (dpa/tmn) - Das Alter stimmt nicht jeden milde: Oft werden Senioren boshaft oder aggressiv. Dahinter können Krankheiten oder Unzufriedenheiten stecken. Was kann man tun, damit nicht jedes Gespräch zum Wortgefecht wird?

Köln (dpa/tmn) - Das Alter stimmt nicht jeden milde: Oft werden Senioren boshaft oder aggressiv. Dahinter können Krankheiten oder Unzufriedenheiten stecken. Was kann man tun, damit nicht jedes Gespräch zum Wortgefecht wird?

Viele böse Worte, weil der Kaffee nicht schmeckt oder die falsche Bettwäsche aufgezogen ist: Angehörige von älteren Menschen wundern sich manchmal, warum diese auf einmal grantig, misstrauisch oder sogar aggressiv reagieren. Schwierig kann es werden, wenn der ältere Mensch gepflegt werden muss und es immer wieder zum Streit kommt. Doch woher kommt dieses Verhalten, und wie können Angehörige damit umgehen?

„Tritt so ein aggressives Verhalten auf, plötzlich oder zunehmend, so müssen die Angehörigen als erstes herausfinden, was dahinter steckt“, sagt die Pflegeexpertin Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe in Köln. Eine Reihe von körperlichen, psychischen oder sozialen Gründen könnte die Ursache sein. „Oft wird beispielsweise übersehen, dass ältere Menschen Schmerzen haben, manchmal so diffus, dass sie nicht äußern können, wo genau“, sagt Sowinski. Sie empfiehlt daher, von einem Arzt klären zu lassen, wie solche Schmerzen behandelt werden können.

Aggressive Verhaltensänderungen gehören darüber hinaus zu den Symptomen, die bei einer Demenzerkrankung auftreten können. „Gerade am Anfang einer Demenz, wenn die Menschen bemerken, dass sie vergesslich werden und sich nicht mehr so gut zurecht finden, kann dies zu Schuldzuweisungen und Beschimpfungen führen“, sagt Sowinski.

Nicht jeder Demenzkranke neige aber zu Aggressionen, und umgekehrt sei nicht jede verbale Aggression als Ausdruck einer Krankheit zu verstehen, sagt Professor Wolfgang Maier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn: „Generell haben viele Menschen im Alter Probleme, sich sozial anzupassen, zum Beispiel ihren Ärger hinunter zu schlucken.“

Zuständig für die Hemmung jeglichen Verhaltens sei im Gehirn das Frontalhirn. Dessen Funktion sei im Alter durch Veränderungen in der Struktur zunehmend eingeschränkt, bei bestimmten Demenzerkrankungen sei dies besonders ausgeprägt. „Leider kann es dann auch den liebenswürdigsten Menschen treffen, der plötzlich unwirsch wird“, sagt Maier, der Sprecher des Kompetenznetzes Demenzen ist.

Ob nun eine Demenz vorliegt oder nicht - die Experten führen aggressives Verhalten bei Älteren in erster Linie auf Situationen zurück, die sie überfordern und die sie nicht nachvollziehen können. „Es ist oft Zeichen einer Hilflosigkeit und des Gefühls der Abhängigkeit von anderen, dem sie zunächst nichts anderes entgegen setzen können, als beispielsweise zu schreien“, erklärt Rolf Höfert, Geschäftsführer des Deutschen Pflegeverbandes.

„Es ist oft schwierig, mit einem Menschen umzugehen, der viel oder nur noch meckert“, sagt Sowinski. Doch es habe sich gezeigt, dass es besser ist, wenn der Gesunde dem Kranken Verständnis entgegen bringt und auch einmal mit dessen Gefühlen „mitschwingt“. „Die Älteren merken, es geht nicht mehr so gut wie früher, sie fühlen sich einsam, weil Freunde oder Partner schon tot sind, es ist ihnen vielleicht langweilig und sie fühlen sich nicht gebraucht, oder sie haben finanzielle Sorgen wegen einer kleinen Rente“, sagt die Psychologin.

Dennoch sollte jeder Angehörige für sich überlegen, wie viel Kraft er für die Pflege oder Begegnungen mit den Älteren hat, wenn es immer wieder zum Streit kommt, sagt Höfert. Möglicherweise könne ein professioneller Pflegedienst eingeschaltet oder die Betreuung auf mehrere Menschen verteilt werden. Hilfreich seien auch psychotherapeutische Angebote für die Angehörigen, um mit der Belastung und der Beziehung zu den Älteren klar zu kommen.

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