Bayernwahl Die Grünen fühlen sich wie eine bayerische Volkspartei

Berlin · Nach der Bayern-Wahl sorgt sich die CDU um die Landtagsentscheidung in Hessen. Die SPD gerät in Depressionen.

 Die bayerische Spitzenkandidatin Katharina Schulze von Bündnis 90/Die Grünen sorgt nach den Wahlergebnissen auch in Berlin für Euphorie.

Die bayerische Spitzenkandidatin Katharina Schulze von Bündnis 90/Die Grünen sorgt nach den Wahlergebnissen auch in Berlin für Euphorie.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Annalena Baerbock hat noch nicht viel Erfahrung im Kommentieren von Wahlergebnissen. Bayern ist die erste Landtagswahl, seit sie Grünen-Chefin ist. „Feiert ordentlich und trinkt noch einen“, rief Baerbock den Gästen zu. Es gab Brezen und Bier.

In der Öko-Partei herrschte an diesem Abend gute Laune von Nord bis Süd. Überschwänglich wie immer Claudia Roth, die sich natürlich nach München begeben hatte; sie stammt aus dem Freistaat. „Das ist ein historisches Ergebnis“, rief sie in jede Kamera. Wenn ein Urgestein der Partei wie sie das sagt, dann auch die Jüngeren: „Danke für dieses historische Ergebnis“, rief eine etwas überdrehte Spitzenkandidatin Katharina Schulze der Basis auf der Münchener Wahlparty zu.

Zurückhaltender war das grüne Spitzenpersonal allerdings bei der Frage, wie es weitergeht, vor allem, ob man nun mitregieren will. Robert Habeck, Co-Vorsitzender der Bundespartei, antwortete ausweichend. „Wichtig ist, dass es nicht einfach weiter so geht“, sagte er. Habeck war an die Isar gereist und hatte bei Bekanntgabe der ersten Prognose auf der grünen Wahlparty einen Partyböller mit Konfetti gezündet.

Ungefähr die gegenteilige Stimmung herrschte bei den Sozialdemokraten. Schon im benachbarten Baden-Württemberg haben ja die Grünen die SPD deklassiert, nun auch im Freistaat. Bei der Wahlparty in München mochte man sich noch nicht einmal über die schlechten Zahlen der CSU freuen. Ex-Oberbürgermeister Christian Ude gab die Tonlage vor: „Die SPD befindet sich offensichtlich im freien Fall“, sagte er. „Hier sind gründliche Konsequenzen erforderlich.“

SPD will nach Ursachen für schlechtes Ergebnis suchen

Gründlich analysieren werde man die Ursachen, sagte Spitzenkandidatin Natascha Kohnen in München. Das meinte auch Parteichefin Andrea Nahles in Berlin. Auch in der Bundespartei. Im Willy-Brandt-Haus herrschte gespenstische Leere, die Sozialdemokraten hatten erstmals auf eine Wahlparty verzichtet. Angeblich aus Kostengründen. Nahles gab unumwunden zu, dass es für Bayern „keinen Rückenwind aus Berlin gegeben hat, im Gegenteil“. Sie führte das auf den Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU zurück, der das Handeln der großen Koalition überlagert habe. „Davon haben wir uns nicht lösen können“, fand Nahles und verlangte, dass sich das ändern müsse.

Einen kleinen Trost gab es für die Linken. Zwar reichte es wieder nicht für den Einzug in den Landtag, aber man verdoppelte die Zahl der Stimmen und legte auf vier Prozent zu. Die Partei wurde ein Opfer der hohen Wahlbeteiligung von über 70 Prozent. In Berlin sah der Vorsitzende Bernd Riexinger daher „keinen Grund für die Linken in Bayern, jetzt in Sack und Asche zu gehen“.

Neue Turbulenzen für die Schwesterpartei

Auf der bescheidenen Wahlparty der CDU mit Leberkäs und Brezeln schaute man mit bangen Blicken nach München. Zwar standen die Christdemokraten dort selbst nicht zur Wahl. Doch nach der herben Niederlage der CSU werden die nächsten Wochen für Angela Merkel beileibe nicht einfacher werden. Denn die Bayern werden versucht sein, die Schuld an der Klatsche auch in Berlin abzuladen, was wiederum die schwarz-rote Koalition in neue Turbulenzen stürzen dürfte. Deswegen mahnte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auch „Disziplin auf Bundesebene“ an. Es gehe jetzt nicht „um Abrechnung mit irgendwem“. Also auch nicht mit der Politik der Kanzlerin. In zwei Wochen wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt, darauf will die Union nun den Fokus richten. CDU-Amtsinhaber Volker Bouffier hofft darauf, seine schwarz-grüne Koalition fortführen zu können. Streiten sich die Schwestern aber wieder, dürfte das den hessischen Wahlkämpfern schaden. Neue Störfeuer will Kramp-Karrenbauer also unbedingt vermeiden. „Insbesondere der Tonfall und der Stil“ seien nicht hilfreich gewesen. Doch der Unmut ist groß in der Partei, auch angesichts mieser Umfragen auf Bundesebene. Ohnehin, so Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer, sei die Bayern-Wahl keine Stärkung für die hessische CDU.

CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer hatte die Koalition zuletzt gleich zweimal an den Rand des Abgrunds getrieben. Viele sehen deshalb in ihm einen der Hauptschuldigen an der CSU-Krise. Seehofer ließ aus München wissen, schnelle Rückschlüsse seien nicht angebracht. Am Dienstag will Seehofer vor die Bundespressekonferenz treten, um seine Sicht auf die Dinge darzulegen. Deutlich zufriedener war man bei der FDP. Offenbar schafften die Liberalen knapp den Einzug in den bayerischen Landtag. Dass es eine Zitterpartie wurde, erklärte Parteichef Christian Lindner damit, dass der FDP auf den letzten Metern „das Momentum“ abhandengekommen sei.

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