Wahlmüde Ägypter geben Islamisten den Vorzug

Kairo/Al-Arisch (dpa) - Von der anfänglichen Begeisterung ist nichts mehr zu spüren. In Ägyptens Provinz beteiligen sich nur wenige an der ersten freien Parlamentswahl. Und der Vorsprung der Islamisten wächst immer weiter.

Islamistische Parteien sicherten sich rund 70 Prozent der 498 Mandate. Die regierungsnahe Webseite „ahramonline“ veröffentlichte am Mittwoch vorläufige Ergebnisse, wonach allein die Partei der Muslimbruderschaft „Freiheit und Gerechtigkeit“ rund 45 Prozent der Sitze gewonnen hat. Die Partei bezeichnet sich selbst als moderat-islamisch.

Die eigentliche Überraschung ist das Ergebnis der radikal-islamischen Partei des Lichts. Die Salafisten sind künftig die zweitstärkste politische Kraft in Ägypten. Sie sicherten sich ein Viertel der Abgeordnetenmandate.

Den dritten Platz belegt die liberale Traditionspartei Al-Wafd (8,9 Prozent). Die neu gegründete liberale Ägyptische Allianz des Unternehmers und Multimillionärs Naguib Sawiris blieb mit sieben Prozent weit unter ihren Erwartungen. Sie belegt Platz vier.

Ursprünglich sollten die offiziellen Ergebnisse Ende dieser Woche verkündet werden. Die Parlamentswahl war in den 27 Provinzen des Landes in drei Etappen abgehalten worden. In einigen Wahlbezirken in Kairo, Alexandria, Assiut und Al-Scharkija sowie in der Provinz Süd-Sinai muss der Wahlgang aber wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden. Deshalb werden die Resultate vermutlich erst eine Woche später veröffentlicht. Die erste Sitzung des Parlaments ist für den 23. Januar vorgesehen.

Die 498 Parlaments-Mandate werden nach einem komplizierten Wahlverfahren mit einer Mischung aus Mehrheits- und Listenwahlrecht vergeben. Zwei Drittel der Parlamentarier werden über Parteien- und Koalitionslisten gewählt, ein Drittel sind Direktkandidaten.

Die Ägypter, die am ersten Tag der Parlamentswahl am 28. November noch in großer Zahl zu den Urnen geströmt waren, zeigten zum Abschluss Anzeichen von Wahlmüdigkeit. Lokale Medien und einheimische Wahlbeobachter meldeten, am Mittwoch - dem letzten Tag der Stichwahl für die Direktkandidaten in acht ländlichen Provinzen - hätten nur noch wenige Wähler Stimmzettel ausgefüllt.

Erneut gab es Verstöße gegen das Wahlrecht. In der Provinz Nord-Sinai zogen Sympathisanten der Muslimbrüder und der Salafisten nach Angaben von Augenzeugen durch die Straßen, um Wähler zu mobilisieren, was nach ägyptischem Recht eigentlich verboten ist. Beobachter meldeten außerdem, dass einige Wahllokale später öffneten. Immer wieder sei es vorgekommen, dass komplett verschleierte Frauen nicht gebeten wurden, zur Kontrolle ihr Gesicht zu zeigen.

Eine ägyptische Anwältin reichte derweil Klage gegen eine Gruppe von selbst ernannten Religionspolizisten ein. Aus Justizkreisen hieß es, Nura al-Farra habe in ihrer Klageschrift beim Verwaltungsgericht in Kairo angeführt, die radikalen Islamisten gefährdeten die öffentliche Sicherheit. Eine von radikalen Muslimen gegründete Gruppe rufe im sozialen Netzwerk Facebook dazu auf, die „Scharia“ (islamisches Recht) notfalls mit Holzknüppeln durchzusetzen.

In den vergangenen Wochen waren in einigen ägyptischen Provinzen bärtige Männer aufgetaucht, die in Friseursalons und Geschäften gegen angeblich „unislamische“ Umtriebe gewettert hatten. Sie werden dem Umfeld der Partei des Lichts zugerechnet. Die hat sich jedoch von den „Religionspolizisten“ distanziert.

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