Strauss-Kahn: Schlussstrich unter eine kurze Karriere beim IWF

Rätselraten über die Zukunft des einst mächtigen Bankers Dominique Strauss-Kahn.

Washington. Seine Hoffnungen auf die Nachfolge von Nicolas Sarkozy hatte er ohnehin schon begraben, nun aber ist für Dominique Strauss-Kahn auch sein "Plan B" gescheitert. Nämlich der Verbleib in der sicheren, hochdotierten und mächtigen Position an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit dem Rücktritt des Franzosen ist der ausufernde Skandal um einen der wichtigsten Akteure auf dem globalen Finanzparkett aber keineswegs beendet - im Gegenteil.

Halten können werde er sich nicht, hatten Experten gesagt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der 62-Jährige jenes Amt niederlegt, das er seit drei Jahren bekleidet und wo er einen unbestrittenen, zentralen Beitrag zur Stabilisierung des globalen Finanzsystems geleistet hat. Ob die Vorwürfe eines Zimmermädchens aus der New Yorker Luxusherberge Sofitel, wonach Strauss-Kahn versucht habe, sie zu vergewaltigen, wahr sind oder nicht: Der Schaden am Image war zu groß, erst Recht vor dem Hintergrund früherer Affären sowie neuer Anschuldigungen seitens anderer Frauen, die sich nun zu Wort meldeten und den Hoffnungsträger der französischen Sozialisten schwer belasteten. Politiker aus Spanien, England und selbst seiner Heimat fielen dem prominenten Nationalökonomen in den Rücken.

Dann der Sargnagel, den US-Finanzminister Timothy Geithner in die einst so aussichtsreiche politische Karriere schlug: "Strauss-Kahn ist offensichtlich nicht mehr imstande, den Internationalen Währungsfonds zu leiten" sagte Geithner. Damit war alles erledigt. Immerhin agierte Präsident Obamas Kassenwart damit als Sprecher des größten und mit Abstand einflussreichsten IWF-Mitglieds. Die USA besitzen 17 Prozent des IWF-Kapitals, können damit jede wichtige Entscheidung des Vorstands blockieren und andere Beschlüsse durchsetzen. Im Klartext: Beim Währungsfonds hat Washington das Sagen, und wenn die US-Regierung ihn nicht mehr will, dann ist Strauss-Kahn am Ende.

Diese Botschaft muss ihn irgendwie erreicht haben in seiner winzigen, abgelegenen Einzelzelle in New Yorks legendärem "Rikers Island" Gefängnis. Noch am Mittwochnachmittag hatte IWF-Pressesprecher Bill Murray betont, dass seit der Verhaftung der Fonds keinen Kontakt zu seinem Direktor hatte. Kurz nach Mitternacht aber wurden dann Journalisten vom IWF direkt benachrichtigt: Dominique Strauss-Kahn habe seinen Rücktritt erklärt, und zwar mit sofortiger Wirkung.

In einer durchaus sonderbaren Erklärung betonte der frühere Wirtschaftsminister sein "tiefes Bedauern" über die Entscheidung und bekräftigte, dass er seine Frau "mehr als alles liebe", also offenbar auch mehr als seine Kinder, die erst danach erwähnt wurden. Zweifellos ein durchschaubarer Versuch, die Wogen um seine zahlreichen außerehelichen Affären ein wenig zu glätten. Dann jene entscheidende Aussage, über deren Wahrheitsgehalt aller Voraussicht nach ein New Yorker Strafgericht entscheiden wird: Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weist Strauss-Kahn entschieden zurück und wird diese mit allem in seiner Macht Stehenden bekämpfen.

Die Rücktrittsentscheidung aber wirft eine Menge neuer Fragen auf. Wie geht es weiter mit dem Internationalen Währungsfonds, jener internationalen Finanzierungsorganisation, die vor wenigen Jahren noch mit einer Existenzkrise zu kämpfen hatte, unter der Regie des hochkompetenten Franzosen aber wieder zur Schaltstelle für finanzpolitische Entscheidungen einer globalen Tragweite wurde? Wichtiger noch, zumindest aus der Sicht der breiten Öffentlichkeit und jener Boulevardpresse, die jeden Tag unter Berufung auf "Quellen" mit skandalösen neuen Einzelheiten und Gerüchten herausrückt: Wie geht es weiter mit Dominique Strauss-Kahn? Wird er seine Unschuld beweisen können und womöglich das unwahrscheinliche politische Comeback eines zu Unrecht Vorverurteilten feiern? Oder wird er vor Gericht gestellt und, wie dies die Staatsanwaltschaft fordert, zu einer Gefängnisstrafe von 25 Jahren verurteilt?

Wer an der Spitze des IWF nachrücken wird, darüber wird während der kommenden Tage und Wochen ein heftiger Streit toben. Obwohl es den Anschein hat, als werde man die Tradition fortsetzen, wonach ein Europäer den Zuschlag bekommt, wollen sich die Schwellenländer nicht ohne Weiteres geschlagen geben. China, Südafrika, Brasilien und Mexiko könnte alle einen Kandidaten ins Rennen schicken, womit die politische Kluft zwischen den Reichen und den sogenannten Ländern "mittleren Einkommens" eher noch tiefer werden dürfte. So oder so besteht man im Währungsfonds darauf, dass schon bald wieder "business as usual" herrschen wird. Wie ein ranghoher IWF-Beamter erklärte, "geht das Geschäft unverändert weiter. Die zentrale Frage wird vielmehr sein, ob wir wieder einen Boss mit dem Charisma und der politischen Durchsetzungskraft eines Strauss-Kahn bekommen."

Größere Spannung gilt nun der Person selbst. Am Freitag wird Strauss-Kahn erneut einem Haftrichter vorgeführt. Dieser soll entscheiden, ob er bis zum Beginn eines möglichen Prozesses, über den eine Geschworenenkammer noch entscheiden muss, hinter Gittern bleibt oder gegen Kaution freigelassen wird. Boulevardmedien und Klatschkolumnisten, für die der Sexskandal sowie der tiefe Sturz eines Mannes, den das Forbes-Magazin zu einem der "größten Denker" und "mächtigsten Menschen der Welt" gekürt hatte, ein gefundenes Fressen ist, haben jedenfalls Hochkonjunktur. Sie verbreiten die tollsten Geschichten, über angebliche Selbstmordversuche und eine AIDS-Infizierung als Folge des Überfalls in der Hotelsuite. Geschichten, die Strauss-Kahns Rechtsanwalt Benjamin Brafman als "Unsinn" abqualifiziert, der die Staatsanwaltschaft sowie Jeff Shapiro, der die 32-jährige Putzfrau aus Guinea vertritt, aber Glauben schenken wollen. Denn was Strauss-Kahn schlecht aussehen lässt und so, als habe er ein schlechtes Gewissen, das kann ihnen vor Gericht nur nützen.

Ein Schlusstrich also unter seine kurze Karriere beim IWF. Das nächste Kapitel wird am Freitag in einem Gerichtssaal in Manhattan aufgeschlagen. Wie es dann weiter geht, das weiß niemand.

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