Konflikt zwischen Russland und Ukraine Pariser Ukraine-Gipfel vereinbart Waffenruhe bis Jahresende

Paris · Kremlchef Putin sitzt erstmals mit seinem ukrainischen Kollegen Selenskyj an einem Tisch. Das historische Treffen im Glanz des Élyséepalastes könnte nach langer Blockade ein Wendepunkt sein.

 Wolodymyr Selenskyj (l-r), Präsident der Ukraine, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Wladimir Putin, Präsident von Russland.

Wolodymyr Selenskyj (l-r), Präsident der Ukraine, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Wladimir Putin, Präsident von Russland.

Foto: dpa/Ludovic Marin

Der Pariser Ukraine-Gipfel hat sich auf eine Wiederbelebung des seit Jahren blockierten Friedenplans für die umkämpfte Ostukraine verständigt. So soll die Waffenruhe bis Ende des Jahres vollständig umgesetzt werden, wie aus der Gipfelerklärung vom späten Montagabend hervorgeht.

Der Gipfel ebnete zudem den Weg für einem umfassenden Gefangenenaustausch bis Ende des Jahres und einen weiteren Truppenrückzug von der Frontlinie. Damit gab es im Ringen um einen Frieden für die Krisenregion im Osten des Kontinents konkrete Fortschritte. Zuvor war es lange unklar gewesen, ob überhaupt eine Gipfelerklärung vereinbart werden könnte.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der russische Präsident Wladimir Putin und dessen ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj berieten in wechselnden Runden rund acht Stunden lang im Élyséepalast. Ein solches Treffen hatte es zuletzt vor gut drei Jahren in Berlin gegeben.

Selenskyj schlug nach Abschluss kritische Töne an: „Meine Kollegen sagten mir, dass dies ein sehr gutes Ergebnis für das erste Treffen ist. Aber ehrlich gesagt ist mir das zu wenig“, sagte der 41-Jährige. „Zum Waffenstillstand: Ich weiß ehrlich gesagt bisher nicht, wie die Situation kontrolliert werden kann.“ Er hoffe jedoch, dass es dieses Mal gelinge. Seit Kriegsausbruch 2014 seien 20 Vereinbarungen gebrochen worden.

Merkel zeigte sich in der Nacht hingegen „sehr zufrieden“ mit den Ergebnissen: „Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden.“ Es seien „realistische Dinge“ vereinbart worden. „Wir werden dann natürlich auf diesem Weg auch weitermachen.“

Putin sprach von einem Fortschritt für die Menschen im Kriegsgebiet Ostukraine. Deshalb seien neue Übergänge an der Frontlinie vereinbart worden. Auch ein weiterer schrittweiser Rückzug der bewaffneten Kräfte werde fortgeführt.

In den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk stehen sich ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Rund 13 000 Menschen sind nach UN-Schätzung bisher ums Leben gekommen. Die Menschen in den betroffenen Regionen Luhansk und Donezk sehnen sich nach einem Ende des Krieges.

„Wir haben uns auf klare, deutliche Schritte und Termine zu ihrer Umsetzung geeinigt“, resümierte Selenskyj. Es solle auch ein Plan für die Minenräumung umgesetzt werden. Rückendeckung bekam der Staatschef aus Kiew von Gastgeber Macron: „Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den politischen Mut und die Entschlossenheit des Präsidenten der Ukraine seit seiner Wahl zu würdigen, Frieden in den Konflikt im Osten seines Landes zu bringen.“

Der Gefangenenaustausch soll nach der Formel „alle gegen alle“ bis Ende des Jahres laufen. Dabei geht es um einen Austausch von 250 Gefangenen aus Kiew gegen 100 aus Luhansk und Donezk. Eine konkrete Vereinbarung dazu gab es aber nicht, sondern lediglich die Absichtserklärung, mit Hilfe der Kontaktgruppe in der Region und des Roten Kreuzes den Austausch umzusetzen.

Die Zusammenkunft von Selenskyj und Putin in der französischen Hauptstadt wurde als ein wichtiges Signal der Annäherung gesehen. Beide Staatschefs hatten zuvor nur miteinander telefoniert, um den für ganz Europa gefährlichen Konflikt zu entschärfen.

Macron kündigte an, es solle innerhalb der nächsten vier Monate einen neuen Gipfel im „Normandie-Format“ geben. Die erste Zusammenkunft dieser Art gab es im Juni 2014 in der Normandie - diese Region liegt nordwestlich von Paris.

Der im April ins höchste Staatsamt gewählte Selenskyj steht innenpolitisch unter Druck. Direkt vor dem Präsidentensitz in Kiew hielten sich in der Nacht zum Montag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mehrere Hundert Menschen auf, die gegen mögliche Zugeständnisse an Russland demonstrierten. Ein Friedensplan, der 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelt wurde, lag bisher weitgehend auf Eis.

Gastgeber Macron strebt einen umfassenden Dialog mit Moskau über Sicherheit und Stabilität in Europa an. Um zu Fortschritten mit Moskau zu kommen, muss nach französischer Auffassung auch der Ukraine-Konflikt gelöst werden. Macrons Annäherung an Moskau wird in mittel- und osteuropäischen Ländern mitunter jedoch misstrauisch verfolgt.

(dpa)
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