Interview Martin Schulz: Strache-Skandal ist kein Einzelfall

Berlin · Unser Berliner Korrespondent hat mit Martin Schulz über das politische Beben in Österreich gesprochen. Der 63-Jährige erklärt unter anderem, warum er hinter dem Skandal ein Vorgehen mit System erkennt.

 Martin Schulz bei einer Veranstaltung zur Europawahl in Berlin.

Martin Schulz bei einer Veranstaltung zur Europawahl in Berlin.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Was fanden Sie die schlimmste Sequenz im Strache-Video?

Martin Schulz: Da fällt die Auswahl schwer. Aber die Tatsache, dass jemand offen zugibt, dass er durch den Erwerb einer wichtigen Zeitung, in diesem Fall der „Kronen“-Zeitung, seine Wähleranteile steigern und die Regierung übernehmen will, zeigt, welches Verhältnis diese Leute zu den freien Medien haben.

Ist es aus ihrer Sicht statthaft, jemanden so in eine Falle zu locken wie Strache?

Schulz: Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aber was hier gelungen ist, ist Leute zu demaskieren, denen selbst kein Mittel zu schade ist, um gegen andere zu hetzen. Die Instrumentalisierung der Medien und die Angriffe auf den österreichischen Rundfunk durch die FPÖ rechtfertigen, dass man darüber nachdenkt, wie man so etwas enthüllen kann.

Dass jemand sagt, er will die Partei unterstützen und darüber mit dem Spitzenkandidaten sprechen, ist doch auch bei Ihnen sicher schon mal vorgekommen.

Schulz: Normalerweise prüft man vorher, um wen es sich handelt. Wenn mir jemand sagen würde, die Tochter eines russischen Oligarchen möchte mit Dir über eine Zusammenarbeit reden, würde ich sehr, sehr skeptisch werden. Dass sich solche Leute an Herrn Strache wenden und der sie ungeprüft trifft, sagt ja mehr über ihn aus als alles andere.

Hat Kanzler Kurz mit der Ansetzung von Neuwahlen richtig reagiert?

Schulz: Es blieb ihm keine andere Wahl. Aber ein Fakt bleibt: Ein Vizekanzler Strache wäre ohne Kurz nicht möglich gewesen. Die Verantwortung für Strache trägt also auch Kurz.

Ist Strache ein Einzelfall oder hat so etwas bei Rechtspopulisten System?

Schulz: Das hat System. Denen ist jedes Mittel recht, um ihre Macht zu zementieren. Vor allem beim Umgang mit Medien. Das beunruhigt mich am meisten. Schauen Sie sich mal an, wie Salvini in Italien zurzeit die Unterstützung freier Medien durch den Staat einschränkt. Oder die gesamte Lügenpresse- und Fake-News-Kampagne von AfD bis Trump. Diese Angriffe auf die unabhängige Berichterstattung scheinen mir im Moment das Gefährlichste zu sein.

Würden Sie auch der AfD so etwas zutrauen?

Schulz: In jedem Fall. Die AfD ist die engste Verbündete Straches in Deutschland. Die ÖVP ist die österreichische CDU und die FPÖ ist die AfD.

Welche Auswirkungen wird der Fall auf die Europawahl haben?

Schulz: Ich hoffe, dass viele Menschen erkennen, wen sie da vor sich haben, wenn am Sonntag die Rechtsallianz aus Meuthen, Le Pen und Salvini zu Wahl antritt. Meuthen hat die enge Zusammenarbeit zwischen AfD und FPÖ noch nach dem Bekanntwerden der Affäre bekräftigt. Die sind eines Geistes Kind. Ich habe als Präsident des Europaparlaments meine Erfahrung mit Rechtspopulisten gemacht. Das sind Leute, die alle Instrumente des Parlamentarismus bedienen und für sich reklamieren, um dieses Podium dann für demokratiefeindliche Bestrebungen zu nutzen.

Ihr Ratschlag an die Wähler?

Schulz: Parteien wählen, die für Toleranz, gegenseitigen Respekt und Demokratie stehen. Für die Werte, mit denen Europa aufgebaut worden ist.

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