EU-Gipfelchef Tusk legt Reformangebot für Großbritannien vor

Brüssel/London (dpa) - In der „Brexit“-Debatte will EU-Gipfelchef Donald Tusk am Dienstag konkrete Vorschläge machen, um den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union zu ermöglichen.

EU-Gipfelchef Tusk legt Reformangebot für Großbritannien vor
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Bei den Verhandlungen mit London habe es in den vergangenen 24 Stunden gute Fortschritte gegeben. „Es gibt aber immer noch offene Punkte“, berichtete der liberalkonservative Pole am Montagabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Zuvor hatte die britische Regierung bereits einen „wichtigen Durchbruch“ verkündet. Das betreffe eine neue „Notbremse“, die das Kürzen von Sozialleistungen für zugewanderte EU-Ausländer erlauben soll. Premier David Cameron und Tusk hatten am späten Sonntagabend in London verhandelt.

Die Regierung in London erhielt nach eigenen Angaben EU-Zusicherungen, wonach die „Notbremse“ rasch gezogen werden könnte. Cameron fordert bisher, dass zugewanderte EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, bevor sie einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen haben. Es ist die rechtlich und politisch heikelste seiner Forderungen.

Die „Notbremse“ könnte nach Medienberichten bei starker Zuwanderung aktiviert werden, wenn diese soziale Sicherungssysteme oder öffentliche Dienstleistungen erheblich beeinträchtigt.

Die EU geht mit Reformen auf Großbritannien zu, damit Cameron einen Verbleib in der EU empfehlen kann. Die Alternative wäre ein Austritt („Brexit“). Cameron will seine Landsleute möglicherweise schon im laufenden Jahr in einem Referendum abstimmen lassen.

Die EU-Kommission äußerte sich zurückhaltend. „Es gab Fortschritt auf politischer und technischer Ebene“, sagte Behörden-Chefsprecher Margaritis Schinas. „Nichts ist vereinbart, wenn nicht alles vereinbart ist.“ Er gab auch zu bedenken, dass die übrigen 27 EU-Länder bisher nicht an Bord seien. „Alle 28 Mitgliedstaaten müssen sich einigen, und da sind wir noch nicht.“ Gegen die Begrenzung von Sozialleistungen gibt es vor allem in Osteuropa Vorbehalte.

Britische Medien werteten den Kompromiss überwiegend als Rückzug Camerons, der keine Chance mehr sehe, seinen eigentlichen Plan durchzusetzen. Seine Hoffnungen auf einen schnellen und im Inland gut verkäuflichen Deal mit Brüssel hingen an einem seidenen Faden.

Beim EU-Gipfel am 18. und 19. Februar soll ein Kompromiss zu allen Punkten gefunden werden. Cameron strebt auch an, den Einfluss nationaler Parlamente in der EU zu stärken und sich von der Pflicht zu verabschieden, eine „immer engere Union“ anzustreben, wie dies im EU-Recht verankert ist. Außerdem fordert London, dass Nicht-Euro-Staaten wie Großbritannien keine Nachteile erfahren.

Die konservative „Times“ schrieb, das Problem des ungerechtfertigten Bezugs von Sozialleistungen werde durch den Kompromiss nicht angegangen. Zudem könne London die Notbremse nur mit Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten ziehen. EU-kritische konservative Hinterbänkler nannten das Angebot einen „Witz“. Das Ziel, die Einwanderung nach Großbritannien zu begrenzen, werde damit verfehlt.

Der „Telegraph“ dagegen nannte die Einigung einen „großen Durchbruch“, den Cameron Brüssel abgetrotzt habe. Die EU habe erstmals anerkannt, dass die Freizügigkeit wohlhabende Länder wie Großbritannien belaste. Verschiedene Medien zitierten Regierungsquellen, nach denen London die „Handbremse“ sieben Jahre lang angezogen lassen will.

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