Verkehrsbetriebe rüsten gegen Attacken auf Busfahrer

Übergriffe gegen Personal gibt es im Nahverkehr regelmäßig. Die Verkehrsbetriebe rüsten auf.

Wuppertal/Solingen/Düsseldorf. Die schmale Scheibe neben dem Fahrersitz sieht aus, als solle sie gegen Luftzug schützen. Dabei erschwert das dicke Sicherheitsglas Schläge und Spuckattacken. Landesweit gibt es Angriffe auf Busfahrer, die Solinger Stadtwerke rüsten in ihren Oberleistungsbussen mit einer Schutzscheibe auf.

„Wir haben schon 20 Übergriffe in diesem Jahr“, sagt Alexander Sorgenicht, Prokurist des Solinger Verkehrsbetriebs. Von Beleidigungen bis zu brutalen Angriffen käme alles vor, und es werde mehr. Eine Regel nach der Tageszeit ließe sich nicht ausmachen. Ob es Zeugen gibt, sei vielen Tätern egal. „Wenn die Zuschauer alles gesehen haben, gehen sie weg, damit sie keine Lauferei zur Polizei haben“, berichtete ein Solinger Fahrer unserer Zeitung. Er war zur Mittagszeit unvermittelt mit einer sogenannten Kopfnuss angegriffen worden, war sechs Wochen lang krankgeschrieben.

In Düsseldorf war es eine Bierflasche, mit der ein Straßenbahnfahrer während seiner Pause an einer Endhaltestelle geschlagen wurde, berichtet Rheinbahn-Sprecher Eckhard Lander: „Wir haben mit Polizei und Ordnungsamt geschaut, ob dort ein Problembereich ist. Das hat auch etwas gebracht.“ Zwölf Taten registriere das Unternehmen pro Jahr, darin enthalten seien Übergriffe gegen Kontrolleure. Jeder einzelne Fall werde analysiert. „Vor Jahren haben wir mal diskutiert, ob wir eine zusätzliche Tür an der Fahrerseite einbauen können“, sagt Lander. Dann wäre der Fahrer aber im Notfall direkt in den fließenden Verkehr geflüchtet. Die Idee wurde verworfen.

Die Stadtwerke Krefeld setzen in den Nachtbussen zusätzliche Mitarbeiter ein, sagt Unternehmens-Sprecherin Dorothee Winkmann. Die Fahrer würden geschult, um gefährliche Konflikte möglichst sicher ableiten zu können. Sie von den Fahrgästen zu trennen käme wegen des Ticketverkaufs nicht in Frage: „Wir setzen auf den persönlichen Verkauf. Einen Menschen vor einen Automaten zu stellen, ist eine Katastrophe.“

„Bei bisherigen Kabinenlösungen gab es immer Schwierigkeiten mit Reflexionen an den Scheiben“, sagt Sorgenicht. Außerdem dürfe der Fahrer bei einem Unfall nicht eingeklemmt werden. Über den Schweizer Lieferanten der Oberleitungsbusse kam der Kontakt zum Fahrzeugteile-Spezialisten Hübner aus Kassel zustande: „Unser bestehendes Fahrerschutzsystem wurde so angepasst, dass es für eine Nachrüstung in den Solinger Bussen geeignet war“, sagt Stefanie Schürmann, Sprecherin des Herstellers. Alle vorhandenen Busse könnten die Stadtwerke mit dem Sicherheitssystem ausstatten, bis zum Jahresende sollen es laut Sorgenicht erst einmal 15 sein. Die Kosten dafür: 20.000 Euro. „Sicherheit ist uns sehr wichtig“, sagt Sorgenicht.

Bei den Essener Verkehrsbetrieben (EVAG) gibt es Video-Überwachung in allen 190 Bussen, rund 70 haben bereits ab Werk eine Schutzscheibe für den Fahrer: „Die öffentlichen Verkehrsmittel sind immer noch vergleichsweise sicher, wenn man die Gesamtzahl der Fahrgäste berücksichtigt. Allerdings verzeichnen unsere Fahrer mehr Pöbeleien“, sagt EVAG-Sprecher Olaf Frei.

Die verschiebbare Scheibe nach Solinger Modell lässt zwar viel Platz frei, verkleinert aber den direkten Durchgriff zwischen Fahrer und Passagier. „Die Fahrgäste waren vorher im Vorteil, weil sie stehen und damit von oben angreifen können“, erläutert Sorgenicht.

„Das Klima ist rauer geworden“, sagt Holger Stephan, Sprecher der Wuppertaler Stadtwerke. Drei bis viermal im Jahr komme es zu tätlichen Angriffen in Wuppertal — trotz Deeskalationstraining: „Wir haben in den meisten Bussen Video-Überwachung. Seit dem sind jedenfalls die Sachbeschädigungen deutlich zurück gegangen.“

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