Schloss Neersen: Erst Schloss, dann Ruine

Vor 150 Jahren ist Schloss Neersen völlig ausgebrannt. Die Ursache ist nie geklärt worden.

Neersen. Es ist die Nacht vom 27.auf den 28. März 1859 - morgen vor 150 Jahren - zwei Uhr morgens. Das Dörfchen Neersen liegt in tiefem Schlaf. Da wird die Stille durch einen Alarmruf zerrissen: "Feurio!" Das kommt aus dem Schloss, dessen dunkle Konturen neben der Hauptstraße aufragen. Im Westflügel schlagen aus den Fenstern des ersten Stocks helle Flammen.

1852 ist in dem alten Kastell eine Spinnerei eingerichtet worden. Die Fabriksäle, in denen tagsüber in Staub und Lärm mehr als hundert Erwachsene und Kinder schuften, stehen in Flammen. Das Gebäude brennt bis auf die Grundmauern nieder. Mit knapper Not können die Bewohner des östlichen Flügels ihr nacktes Leben retten. Die Eulen, die die hohen Türme bewohnen, umkreisen mit verstörten Schreien die ganze Nacht die untergehenden Gebäude.

Neersen hat Glück im Unglück: Wäre es nicht so windstill gewesen, hätten die Flammen auf das Dorf übergreifen können. Alle Einwohner sind um die Brandstelle versammelt - und hilflos. Die primitiven Wasserspritzen der Umgebung haben gegenüber dem Inferno keine Chance. Gebannt hören die Menschen, wie die schweren Holzbalken der Kellergewölbe knackend zerbrechen und einige Decken im Souterrain einstürzen.

Und die Ursache der Katastrophe? Sieben Jahre zuvor hat der Mönchengladbacher Fabrikant Felix Wilhelm Hüsgen das barocke Schloss Neersen zu einer Wattefabrik und Baumwollspinnerei umgestaltet. Das war billiger als ein Neubau. Insgesamt standen in den beiden Obergeschossen des Schlosses mehr als 1000 Quadratmeter Raum zur Verfügung, um eine Reihe unterschiedlich großer Spinnsäle aufzunehmen.

An der Rückfront des Mitteltrakts wuchsen zwei Dampftürme empor, wie man die eckigen Schornsteine nannte. An ihnen hingen Dampfmaschinen, von denen aus senkrecht durch die einzelnen Stockwerke so genannte Königswellen geführt wurden. Von ihnen aus wurde die Dampfkraft weiter geleitet, die wiederum die Riemen für die einzelnen Arbeitsmaschinen antrieben. Der Verdacht liegt nahe, dass irgendwo im System das Feuer ausbrach. Doch geklärt wurde das nie.

Abgebrochen wird die Schloss- Ruine nicht; das wäre bei den meterdicken Mauern zu kostspielig. So stehen die Wände Jahrzehnte hindurch unverändert nackt, die entstellenden Dampftürme bleiben dem Neersener Ortsbild noch für 37 Jahre erhalten.

Eine Wende bringt die Ersteigerung durch den Krefelder Fabrikbesitzer Gustav Klemme im Jahre 1884. Zwölf Jahre später baut er das Schloss bis auf den Westflügel wieder auf. Für eine gründliche Instandsetzung sorgt - seit 1928 - der neue Besitzer Emil Crous aus Viersen.

Ab 1945 dient Schloss Neersen als Standort amerikanischer Militärs und wird zum Gewerkschafts-Quartier. Im Herbst 1947 erwirbt der Kreis Kempen-Krefeld das Anwesen und richtet hier ein Kindererholungsheim ein.

18. Januar 1971: Die Stadt Willich übernimmt Schloss Neersen für ihr Bau- und Planungsamt. Am 27. März 1973 beschließt der Rat, die Ruine des Westflügels wiederaufzubauen. 1981 ist für 7,7 Millionen Mark das neue Verwaltungszentrum fertig gestellt.

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