Raubgrabungen bedrohen Pakistans Kulturschätze

Islamabad (dpa) - Zuerst kamen die Taliban, dann die Tempeldiebe. Pakistans buddhistisches Erbe ist in Gefahr. Immer mehr Artefakte werden von skrupellosen Dieben ausgegraben und aus dem Land geschmuggelt.

Sie landen in Privatsammlungen auf der ganzen Welt.

Der steinerne Buddha in der Holzkiste lächelt sein überirdisches Lächeln. Er stammt aus dem Swat-Tal im Nordwesten Pakistans. Dort sind die Menschen stolz auf ihre buddhistische Vergangenheit. Vor 2000 Jahren blühte dort die Gandhara-Zivilisation, die Kunst erreichte neue Höhen. Touristen aus aller Welt besuchten die Stätten. Radikale Islamisten machten dem für mehrere Jahre ein Ende. Trotz ihrer Vertreibung ist die Gefahr für das Gandhara-Erbe nicht gebannt: Illegale Ausgrabungen von Amateurarchäologen und professionellen Gangs richten große Schäden an. Gestohlen werden Fundstücke im Wert von Millionen von Dollar. Die Behörden sehen oft tatenlos zu.

Nun aber beschlagnahmte die pakistanische Polizei Hunderte von Statuen, Steinreliefplatten und ähnlichen Kunstgegenständen. Bis zu fünf Tonnen wogen gigantische Statuen, die in Lagerhäusern in der Hafenstadt Karachi entdeckt wurden. „Diese seltenen Stücke wurden von Rawalpindi nahe Islamabad zum Verschiffen hierher gebracht“, erzählt der Polizeibeamte Shabir Ahmad. Die Artefakte stammen aus Gandhara, bestätigt Quasim Ali Quasim von der Archäologiebehörde der Provinz Sindh. Der kulturelle Wert der beschlagnahmten Stücke sei „wahrhaft unbezahlbar“, meint er. Den Verkaufswert schätzt Quasim auf etwa 10 Millionen Dollar.

Gandhara ist Teil des pakistanischen Kulturerbes, sagt der Archäologe Abdul Azeem. „Es ist unsere Geschichte, denn damals waren wir auch buddhistisch.“ Jahrhundertelang überlebte diese tolerante Einstellung. Doch 2007 übernahmen die radikalislamischen Taliban die Macht in der Region. Ihnen war diese buddhistische Vergangenheit ein Dorn im Auge. Wie ihre Glaubensbrüder in Afghanistan sprengten auch sie ein Buddha-Steinrelief. Sie zerstörten Kunstwerke, Grabungen waren bei strengster Strafe verboten. Die Taliban hätten sogar Selbtsmordattentäter ins Kunstmuseum geschickt, erzählt Azeem.

Nach der Vertreibung der Islamisten durch die Armee vor drei Jahren versuchte die Regierung, die Zerstörungen zu reparieren und den Tourismus wieder anzukurbeln. Doch gegen die Kunsträuber wurde nichts unternommen. „Ich glaube, die illegalen Grabungen haben nach dem Fall der Taliban zugenommen“, sagt Nasir Khan vom Taxila Museum in Rawalpindi, einer der größten Sammlungen von Gandhara-Kunst. Die Diebe haben es leicht: Apathie von Behördenseite, Korruption und noch dazu unübersichtliches Gelände. Viele Fundstätten können wegen der prekären Sicherheitslage im Tal nicht ausreichend bewacht werden.

„Korruption können wir nicht ausschließen, aber die Behörden arbeiten nicht mit den illegalen Ausgräbern zusammen. Sie wissen, dass es verboten ist“, sagt Azeem von der Archäologiebehörde in Islamabad. Die Kunstwerke werden sowohl von Einwohnern der Region als auch von Profis geraubt. Hehler schaffen die Ware dann mit Hilfe der örtlichen Transportmafia in die Hafenstadt Karachi. Von dort werden sie nach Europa oder in den Nahen Osten verschifft.

Nach dem Ende des Islamistenterrors zieht es wieder mehr Besucher zu den schneebedeckten Bergen des Swat-Tales. Doch mit ihnen kommen die Diebe. Der Grund, warum die illegalen Ausgrabungen zunehmen, sei klar, sagt Nasir Khan. „Als die Taliban hier waren, trauten sich die Leute nicht nach Swat. Jetzt können sie überall hin, ohne Kontrolle.“

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