Aus der Kiste der Enkelin Dix

Kostbare Kunst der 20er Jahre blieb Jahrzehnte unterm Bett versteckt. Jetzt hebt die Düsseldorfer Galerie Remmert und Barth die Schätze.

Düsseldorf. Die Galeristen Peter Remmert und Peter Barth entdecken und verkaufen in der Düsseldorfer Altstadt seit 31 Jahren Kunst der 20er und 30er Jahre. Da der Markt so gut wie leer gefegt ist, konzentrieren sie sich beim Aufspüren frischer Ware auf „Kontakte zu Witwen von Künstlern und Sammlern, zu gealterten Kindern von Künstlern und Enkeln“, wie Peter Barth es nennt. Diese haben in der Regel Kisten und Mappen geerbt, die unterm Bett lagern und von den Galeristen entdeckt werden.

Ihre aktuellen Funde gelten George Grosz, dessen berühmtes Aquarell „Deutschland, ein Wintermärchen“ ab 11. September im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen sein wird. Und Otto Dix, mit dem sie am Sonntag ihre Galerie in Düsseldorf eröffnen wollen.

Peter Remmert kam durch Zufall an die jüngsten Schätze, als er der ungenannt bleibenden Enkelin in Oberbayern half, ihre Bibliothek zu verkleinern und einen Käufer für die Bücher zu finden. Da stieß er auf besagte Kiste und darin auf eine Mappe. So kamen Kostbarkeiten zum Vorschein, darunter Straßenszenen von Otto Dix aus dem Düsseldorfer Milieu der Soubretten und Prostituierten, Bildnisse leichter Damen und ermordeter Herren. Über 80 Jahre waren seit der Entstehung der Aquarelle und Zeichnungen vergangen. Heute werden sie zu sechsstelligen Preisen angeboten.

Die Düsseldorfer Galeristen arbeiten immer auch die Düsseldorf Künstlerszene auf. So entzifferten sie eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die sich in der Stadt abspielte. Dreh- und Angelpunkt der Beziehungen war der Sammler und Urologe Hans Koch, der als Assistenzarzt an der Charité in Berlin anfing und dort die Schwestern Maria und Martha Lindner kennenlernte. Er verliebte sich in Maria. Da sie aber keine Kinder bekommen konnte, nahm er mit Martha vorlieb, die ihm die Wünsche nach Sohn und Tochter erfüllte und Martin sowie Hanna zur Welt brachte.

In dieses Familienglück platzte 1921 der 30-jährige Otto Dix herein, Rebell aus Prinzip, Ankläger gegen Krieg und menschliches Versagen in der Kunst. Er kam auf Einladung der legendären Kunsthändlerin Johanna Ey und des Kunstsammlers Hans Koch. Er traf auf Martha, die Frau seines Lebens. Das war Koch nur recht, denn nun konnte er Maria heiraten und auch noch die beiden Kinder der Martha behalten.

1922 wurde ihre Ehe geschieden, 1923 heirateten Dix und Martha, die sich nun Jim und Mutzli nannten. Und Dix zeichnete mit kritischem Blick die Akteure in Düsseldorf: die Grande Dame Martha mit üppigem Haar, den gemütlichen Koch und sich selbst als Großstadt-Dandy mit pomadigem Haar und strengem Blick. Das junge Paar wohnte zuerst in Düsseldorf, dann in Berlin. 1927 erhielt Dix eine Professur in Dresden, 1933 wurde er von den Nazis gefeuert und entschwand an den Bodensee.

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