Schweizer in Erklärungsnot

Banken, Industrie und Tourismus fürchten negative Folgen des Minarett-Verbots.

Bern. In der Schweiz gibt es etwa 400.000 Muslime, 150 Moscheen und muslimische Gebetszentren - und vier Minarette. Dass es nach dem Volksentscheid vom Sonntag auch nicht mehr Gebetstürme geben soll, sorgt international für Aufregung.

Auch die schweizer Wirtschaft macht sich Sorgen um ihre Geschäftsbeziehungen zu islamischen Kunden und Ländern. Der Schweizerische Arbeitgeberverband befürchtet langfristig "negative Folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz".

Die Entscheidung, bei der fast 58 Prozent der Schweizer gegen einen Neubau von Minaretten gestimmt hatten, gefährde langjährige Geschäftsbeziehungen mit muslimischen Ländern, heißt es in einer Mitteilung der Arbeitgeber.

Das könnte fatale Folgen für die Schweiz haben, ist sie doch mit einer Exportquote von 50 Prozent auf die Ausfuhren angewiesen. Fünf Prozent der Exporte gehen in muslimische Länder, das entspricht einem Warenwert von etwa 14,5 Milliarden Euro.

Economiesuisse, der Verband der Schweizer Unternehmen, fordert jetzt von der schweizer Regierung massive Aufklärungsarbeit, um den Schaden in Grenzen zu halten: "Der Bund ist aufgerufen, aktiv den Dialog mit den muslimischen Staaten zu suchen und die schweizerische Position zu erklären."

Die schweizer Banken geben sich bislang gelassen. Man rechne damit, dass die muslimischen Kunden professionell mit dem Minarett-Verbot umgehen. Hans-Ulrich Meister, Chef der Großbank Crédit Suisse, erklärte gegenüber dem "Handelsblatt" allerdings auch, dass es jetzt darauf ankomme, wie die Schweiz die Motive für das Abstimmungsergebnis erkläre. Viele Banker befürchten, dass islamische Kunden ihr Geld von schweizer Banken abziehen könnten. Die Summe muslimischer Geldanlagen in der Schweiz beträgt etwa 70 Milliarden Euro.

Erste Störfeuer kommen bereits aus Frankreich: Die Senatorin Natalie Goulet forderte die Araber auf, ihre Gelder von den schweizer Banken abzuziehen. Am Dienstag gab es im Internet die ersten Boykott-Aufrufe von Muslimen gegenüber schweizer Firmen. Besonders Nestlé und Swatch wurden genannt.

Auch die Tourismusbranche macht sich ernsthaft Sorgen um die Spätfolgen des Minarett-Verbotes. Immerhin verbrachten allein Besucher aus den Golfstaaten im vergangenen Jahr etwa 400.000 Nächte in schweizer Hotels. Das waren 15 Prozent mehr als noch 2007.

Eine Sprecherin der nationalen Marketing-Organisation Schweiz Tourismus betonte, der Tourismus müsse nun die Gastfreundschaft gegenüber allen Glaubensrichtungen besonders stark pflegen. Das Nein zu neuen Minaretten hat die schweizer Wirtschaft in Erklärungsnot gebracht.

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