Ausnahmezustand in der Türkei: Das sagt die Verfassung

Istanbul (dpa) - Die türkische Verfassung gibt dem Kabinett unter Vorsitz des Staatspräsidenten das Recht, nach Beratungen mit dem Nationalen Sicherheitsrat den Ausnahmezustand zu verhängen.

Auslöser können nach Artikel 120 „weit verbreitete Gewaltakte zur Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Ordnung“ oder ein „gravierender Verfall der öffentlichen Ordnung“ sein.

Das Kabinett kann den Ausnahmezustand im ganzen Land oder in Teilen davon für maximal sechs Monaten verhängen. Der Beschluss muss im Amtsblatt veröffentlicht und ans Parlament übermittelt werden. Das Parlament kann die Dauer des Ausnahmezustands verändern, ihn aufheben oder ihn auf Bitte des Kabinetts um je vier Monate verlängern.

Während des Ausnahmezustands kann das Kabinett unter Vorsitz des Präsidenten Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Diese Erlasse werden zunächst im Amtsblatt veröffentlicht und am selben Tag dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt. Gegen die Dekrete kann nicht vor dem Verfassungsgericht vorgegangen werden.

Während des Ausnahmezustands können nach Artikel 15 Grundrechte eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Auch dürfen Maßnahmen ergriffen werden, die von den Garantien in der Verfassung abweichen. Voraussetzung ist allerdings, dass Verpflichtungen nach internationalem Recht nicht verletzt werden. Unverletzlich bleibt (außer bei rechtmäßigen Kriegshandlungen) das Recht auf Leben.

Niemand darf zudem gezwungen werden, seine Religionszugehörigkeit, sein Gewissen, seine Gedanken oder seine Meinung zu offenbaren, oder deswegen bestraft werden. Strafen dürfen nicht rückwirkend verhängt werden. Auch im Ausnahmezustand gilt die Unschuldsvermutung: Niemand ist schuldig, bevor ein Gericht ihn nicht verurteilt hat.

Der Ausnahmezustand kann auch bei Naturkatastrophen, gefährlichen Epidemien oder einer schweren Wirtschaftskrise verhängt werden. Er ist eine Stufe unter dem noch härteren Kriegsrecht.

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