Kremlgegner rüsten sich trotz Gewalt für Proteste

Moskau (dpa) - Keine Angst vor der russischen Staatsmacht: Trotz der gewaltsamen Auflösung von Protesten gegen den frisch gewählten russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie mehr als 600 Festnahmen rüstet sich die Opposition für neue Aktionen.

Schon an diesem Samstag wollen die Putin-Gegner in Moskau erneut 50 000 Menschen auf die Straße bringen. Das teilte Organisator Sergej Udalzow mit. In Moskau nahm die Polizei am Abend mindestens ein Dutzend junger Menschen bei einer nicht genehmigten Kundgebung fest.

Bei einem Treffen mit Unterstützern reagierte Putin am Dienstag gelassen auf die Straßenaktionen. „Das ist ein Element des politischen Kampfes. Mit den Wahlen hat das nichts zu tun“, sagte der noch bis Mai amtierende Regierungschef Putin nach Angaben der Agentur Interfax. Gleichwohl forderte der 59-Jährige erneut, die Betrugsvorwürfe vom Wahlsonntag aufzuklären. „Verstöße gab es natürlich“, räumte der Ex-Geheimdienstchef ein. Sie müssten aufgeklärt und ausgeräumt werden.

Nach einer Massenkundgebung in Moskau gegen die von Betrugsvorwürfen überschattete Präsidentenwahl war Udalzow mit rund 250 anderen Demonstranten am Montag vorläufig festgenommen worden. In St. Petersburg waren 370 Putin-Gegner zeitweilig im Polizeigewahrsam. Gegen die Teilnehmer der Kundgebung seien Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht eingeleitet worden, hieß es.

Der Milliardär Michail Prochorow, der bei der Präsidentenwahl am Sonntag verloren hatte, verurteilte die Polizeigewalt. Die Demonstranten seien völlig friedlich gewesen. Dagegen sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow, dass die Polizei sich an die Gesetze gehalten habe. Die Sicherheitskräfte selbst betonten, sie seien „humaner“ vorgegangen als manche ihrer westlichen Kollegen.

Mehrere Kundgebungsteilnehmer klagten über Verletzungen, darunter vor allem Prellungen. Dies war aus Sicht von Kommentatoren ein erstes Zeichen dafür, dass Putin die Gangart verschärfe. Im Wahlkampf waren die Massenproteste ohne Zwischenfälle abgelaufen. „Die Forderung nach ehrlichen und freien Wahlen wird aber von Putin nun als Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme eingestuft“, kritisierte der Oppositionspolitiker und frühere Schachtweltmeister Garri Kasparow.

Bei den Protesten gegen Putin waren nach Kasparows Angaben allein in Moskau 30 000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei sprach von nur 14 000 Teilnehmern, weniger als bei einer anderen Kundgebung zur Unterstützung Putins, der im Mai sein neues Amt antreten will. Er will nach zwei Amtszeiten von 2000 bis 2008 im Mai zum dritten Mal als Präsident in den Kreml einziehen.

Ein Gericht in Moskau ordnete unterdessen für zwei 22 und 23 Jahre alte Frauen Untersuchungshaft bis Ende April an. Sie sollen als vermummte Mitglieder der Punk Band Pussy Riot in der Moskauer Erlöserkathedrale unlängst gegen Putin protestiert haben. Der Vorwurf lautet auf Rowdytum. Drei ukrainische Feministinnen erhielten Arreststrafen von bis zu zwölf Tagen, nachdem sie barbusig in Putins Wahllokal protestiert hatten.

Die kremltreue Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ veröffentlichte ein Interview mit dem früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi, der seinen Freund lobte. „Putin ist eine extraordinäre, eine einfache und bescheidene Person mit großen menschlichen Eigenschaften und starkem Freundschaftsgefühl“, hieß es in dem Blatt. „Er hat viel für sein Land getan und wird auch in Zukunft eine ausschlaggebende Rolle spielen. Der Übergang von Totalitarismus zu Demokratie ist eine langwierige Aufgabe. Aber er hat es geschafft, bei ihrer Erfüllung voranzukommen.“

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