Sepsis-Therapie: Neue Form der Blutreinigung ermutigend

Rostock (dpa) - Die Zahlen zu Blutvergiftungen und folgendem Organversagen sind erschreckend hoch. Jedes Jahr behandeln Ärzte auf deutschen Intensivstationen mehr als 200 000 Patienten mit diesem Krankheitsbild (Sepsis), rund 60 000 überleben nicht.

„Bei den meist älteren Patienten ist Sepsis die Folge einer Lungenentzündung, einer Operation oder auch eines Unfall“, sagt der Rostocker Nierenspezialist Steffen Mitzner. Letztlich breche das Immunsystem unter der Dauerbelastung zusammen. „Die Immunzellen sind erschöpft. Wir Ärzte sind hilflos“, beschreibt Mitzner das drängende Problem, das zudem Kosten in Milliardenhöhe verursacht.

Als eine Art weiterentwickelte Blutreinigung (Dialyse) hat Mitzner zusammen mit anderen Forschern ein Immun-Unterstützungssystem außerhalb des Körpers (EISS) entwickelt. Verwirrend viele Schläuche und Schalter sind zu sehen. Mitzner selbst nennt den Prototypen des Geräts ein wenig respektlos einen „Teebeutel“ am Patientenbett.

Denn wie in einem Teebeutel wird in dem Gerät entlang einer Membran das kranke, mit Gift- und Abfallstoffen belastete Blutplasma des Patienten mit gesunden Immunzellen eines Spenders mit gleicher Blutgruppe in sehr engen Kontakt gebracht. „Diese Immunzellen sind heiß und wollen sich in den Kampf stürzen“, erläutert Mitzner. Die Spenderzellen kämen dabei aber nie in den Körper der Patienten. So kann es auch nicht zu einer Abwehrreaktion kommen.

In jeweils mehrstündigen Umläufen holen die gesunden Immunzellen nun die Giftstoffe aus dem Blut der Patienten. Und nicht nur das - sie geben auch immunaktivierende Substanzen ab, die zur Genesung beitragen. Im Blut der Patienten sei ein signifikanter Anstieg von entsprechenden Markern festgestellt worden, ergänzt Mitzner. „Das Immunsystem der Patienten kann für Stunden oder wenige Tage auf Kur gehen und sich in dieser Zeit regenerieren.“

Nach Worten des Jenaer Sepsis-Experten Michael Bauer spielt die Sepsistherapie außerhalb des Körpers eine erfolgversprechende Rolle bei der künftigen Behandlung. Vor allem die Abgabe der immunaktivierenden Substanzen sei spannend. „Wir haben erkannt, dass die Sepsis auch einen komplexen Immundefekt darstellt und, dass das Immunsystem stimuliert werden muss.“ Die ersten Studien zeigten, dass das System auf jeden Fall plausibel sei, sagte Bauer. Er ist Sprecher des integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Sepsis, einer vom Bundesforschungsministerium initiierten Einrichtung.

Die Ergebnisse von Tierversuchen und einer ersten klinischen Studie an 20 Patienten seien ermutigend, betonte Mitzner. Während die Sterblichkeit bislang je nach Ursprungserkrankung bei etwa 60 Prozent liegt, habe bei den Rostocker Patienten diese Rate bei 35 Prozent gelegen. Schon nach einem Umlauf stabilisiere sich der Kreislauf, eine grundlegende Voraussetzung für die weitere Genesung.

Die Forschungen stecken aber noch in den Kinderschuhen. „Wir müssen erst noch verstehen, was die Zellen da machen und wie wir sie besser unterstützen können“, erklärte Mitzner. Das aber könne die Rostocker Uni-Klinik zusammen mit Artcline, einer kleiner Firma mit bislang vier Forschern, nicht allein leisten.

Die Wissenschaftler sind deshalb froh, mit dem Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie kompetente und potente Forschungspartner gewonnen zu haben. Wie lange es dauern wird, bis das System Klinikalltag wird, wagt Mitzner angesichts der vielen offenen Fragen nicht zu sagen. In einem ist er aber sicher: „Wir richten nicht mehr Schaden an, als wir Gutes tun.“

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