Waffenrecht: Kontrolle in der Schusslinie

Nach dem Amoklauf von Winnenden sollen Pistolen und Gewehre stärker überwacht werden – in der Praxis ist das kaum möglich.

Heidelberg/Düsseldorf. Mit dieser Resonanz auf seine Stellenausschreibung hätte das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises nicht gerechnet. Die Behörde suchte über die Arbeitsagentur fünf Minijobber - als Waffenkontrolleure. Sie sollen überprüfen, ob Waffenbesitzer ihre gefährliche Habe auch ordnungsgemäß sichern und verwahren.

Kann man eine solch verantwortungsvolle Aufgabe einem 400-Euro-Jobber zuteilen? In Baden-Württemberg regte sich Protest. Erst waren es die Jäger- und Schützenverbände, dann auch die Polizei, und schließlich teilte das Innenministerium mit: "Das geht so nicht, die Kontrollen sind hoheitliche Aufgaben."

Genau da liegt das Problem: Nach dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 einigte sich die Politik auf eine Verschärfung des Waffenrechts. Unangemeldete, nicht auf Verdachtsmomenten beruhende Kontrollen wurden möglich gemacht, dafür sogar das Grundgesetz teilweise eingeschränkt.

Den meisten Waffenbehörden fehlt allerdings das Personal. In Nordrhein-Westfalen sind nicht die Landratsämter zuständig, sondern die Polizeibehörden. "Die Aktion in Baden-Württemberg werte ich als Hilferuf", sagt der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.

"Bei über einer Million registrierter Waffen in NRW ist es utopisch, ein zuverlässiges Kontrollnetz aufzubauen." Zusätzliche Planstellen habe seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung keine Behörde bekommen. "Die Gesetzesänderung ist nur Kosmetik. An der Lebenswirklichkeit hat sich nichts geändert", sagt Wendt.

Dass Kontrolleure auf 400-Euro-Basis losziehen, ist in NRW undenkbar. "Das wird es bei uns nicht geben. Dazu braucht man besondere Sachkenntnis, und die kriegt man nicht mal eben in einem Kurs beigebracht", sagt Wolfgang Beus, Sprecher des NRW-Innenministeriums.

An den Kontrollmechanismen hat sich seit Winnenden praktisch nichts geändert. Nach Aussage des Innenministeriums schreiben die Waffenbehörden alle Waffenbesitzer regelmäßig an und verlangen Nachweise über die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Pistolen und Gewehren.

Recherchen unter Sammlern und Jägern ergaben jedoch, dass seit Winnenden keiner ein solches Schreiben bekommen hat. Manche hatten sogar noch nie eines im Briefkasten. Kontrolliert wird auch nur bei vorliegenden Verdachtsmomenten. Von der angestrebten erhöhten Sicherheit durch unangemeldete Kontrollen ist nichts zu spüren.

"Das einzig Positive ist, dass Waffenbesitzer jetzt mit einer Kontrolle rechnen müssen", sagt Gewerkschafter Wendt. Das belegten die Verkaufszahlen der Waffenschrank-Hersteller seit Winnenden. Allerdings müsse man diesen Kontrolldruck auch aufrechterhalten.

Doch wie soll das gehen, wenn beispielsweise in Düsseldorf acht Beamte in der Waffenrechtsstelle im Dezernat 12 des Polizeipräsidiums über 20000 registrierte Schusswaffen mit annähernd gleich vielen Besitzern überwachen? Um die einmal jährlich zu überprüfen, müsste jeder Beamte sieben Hausbesuche am Tag machen. Polizei-Sprecher Wolfgang Rodax sagt: "Eine flächendeckende Kontrolle ist schwierig, aber wir kontrollieren schon."

Der Rhein-Neckar-Kreis verfolgt trotz aller Kritik die Strategie mit 400-Euro-Jobs weiter. "Das Innenministerium hat sich beim Regierungspräsidenten beschwert, aber wir haben keine Weisung, die Ausschreibung zurückzuziehen", sagt Landratsamt-Leiter Walter Reichert.

Ihm liegen mehr als 100 Bewerbungen für die fünf Stellen vor. "Wir sortieren jetzt die Kandidaten." Dieter Deuschle, Chef des Landesjägerverbands Baden-Württemberg, ist skeptisch: "Wir haben vor kurzem eine Weiterbildung für Waffenkontrolleure organisiert. Die meisten hatten zum ersten Mal ein Gewehr in der Hand."

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