Urteil: Lehrer müssen sich Noten gefallen lassen

Eine Pädagogin wollte verhindern, dass ihre Schüler sie im Internet bewerten. Der Rechtsstreit geht weiter.

<strong>Köln. Im Internet, auf der Seite www.spickmich.de, können Schüler ihren Lehrern endlich einmal das zurückgeben, was sie oft am meisten nervt: Noten. Mehr als 400.000 Schüler sind mittlerweile bei dieser Seite angemeldet, schicken sich gegenseitig Nachrichten, bewerten ihre Schule - und auch ihre Lehrer. Aus den Durchschnittsnoten von mindestens fünf Schülern wird so ein virtuelles Zeugnis erstellt, zum Ausdrucken, Aufhängen, Weitergeben. Einer Lehrerin eines Gymnasiums in Neukirchen-Vluyn gefällt das gar nicht. Im Eilverfahren wollte sie ihren Namen und ihr Bewertungsprofil von der Seite nehmen lassen. Sie habe der Veröffentlichung ihrer Daten und ihrer Bewertungen schließlich nicht zugestimmt. Als Gesamtnote hatte sie eine 4,3 erhalten, allerdings nicht nur in der Beurteilung ihres Unterrichts, sondern auch in Kategorien wie "cool" und "sexy". Das Oberlandesgericht wies ihre einstweilige Verfügung am Dienstag zurück und bestätigte damit ein Urteil des Landgerichts Köln. "Spickmich" sei ein wichtiger Beitrag zur Meinungsfreiheit unter Schülern.

Werturteile sind erlaubt, Beleidigungen aber verboten

Es gehe zwar um Spaß und Beschäftigung, vielleicht auch ein bisschen um Rache. Die Einträge über die Klägerin seien aber zulässige Werturteile, keine Beleidigungen. Außerdem sei die Seite nur beschränkt öffentlich - der Name der Schule muss korrekt eingegeben werden, nur dann gibt es Zugang auf die Profile der Lehrer. Eine Anmeldung sei außerdem erforderlich. "Und dass die Bewertungen anonym abgegeben werden können, gehört zum Wesen des Internets", sagte der Vorsitzende Richter Axel Jährig. "Wir fühlen uns gestärkt und wollen auch weiter ein freies Meinungs-Forum für Schüler bieten", erklärte Bernd Dicks, Sprecher von spickmich.de. Meinungsfreiheit bedeutet aber auch: Schmähkritik ist nicht erlaubt. Schüler haben das Recht, fair zu bewerten, Beleidigungen muss sich kein Lehrer gefallen lassen. Auch deshalb sind Rubriken wie "sexy" von den Betreibern der Seite abgeschafft worden. Problematisch bleibt die Rubrik "Zitate": Hier können Schüler Lehrer-Zitate eintragen. Ist der Spruch so nicht gesagt worden, kann sich der Lehrer dagegen wehren. "Wir alle hätten gerne eine solche Plattform zu unserer Schulzeit gehabt", sagen die Erfinder der Seite, drei Kölner Studenten. "Es kommt viel Zustimmung von Schülern, Eltern und Lehrern." Es gibt aber auch kritische Stimmen. Im Spickmich-Forum wird die Seite von vielen als Pranger empfunden. NRW-Schulministerin Barbara Sommer appelliert vor allem an die Schüler, Diskussionen schulintern anzustoßen. Außerdem hat sie eine Beschwerde-Stelle für Lehrer eingerichtet. Der Rechtsstreit im Eilverfahren ist damit abgeschlossen. Allerdings beginnt beim Landgericht Köln bald das Hauptverfahren - und sowohl die Betreiber der Seite als auch die Lehrerin haben angekündigt, notfalls lange zu prozessieren. Auch für den Vorsitzenden Richter ist der Streit nicht abschließend geklärt: "Die Frage wäre es wert, von einem der obersten Gerichte entschieden zu werden."

Internet-Noten

Bewertung Die Lehrernoten setzen sich nicht nur aus harten Fakten zusammen. Um eine gute Gesamtnote zu erhalten, müssen die Lehrkräfte in Kategorien wie "cool und witzig", "beliebt" und "motiviert" punkten.

Kritik Der Philologenverband schlägt Alarm ("Lehrer sind kein digitales Freiwild") und erhält Unterstützung von NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU): "Wir wollen nicht hinnehmen, dass Pädagogen anonym in oft herabwürdigender Weise bloßgestellt werden." Schüler, die ihre Lehrer im Internet "mobben", will die Landesregierung strafrechtlich verfolgen lassen.

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