No Angels: Sturzflug in die Hölle

Bitterer geht’s kaum: Deutschland landet zum zweiten Mal binnen vier Jahren auf dem letzten Platz. Der russische Popsänger Dima Bilan schnulzte sich zum Sieg.

Belgrad. Vor acht Jahren kamen Lucy, Sandy, Nadja und Jessica aus dem Nichts: Die No Angels waren die Pop-Sensation des Jahres 2000, gewannen die Castingshow "Popstars", landeten Chart-Erfolge im In- und Ausland. Gut möglich, dass ihre Karriere in Belgrad kurz nach der Wiedervereinigung wieder beendet wurde.

Mickrige 14 Punkte - zwölf aus Lucys Geburtsland Bulgarien und zwei aus der Schweiz - bedeuteten den letzten Platz zusammen mit Polen und Großbritannien. So eine Demütigung muss man erstmal verdauen.

Immerhin erwies sich das Quartett als fairer und mutiger Verlierer: Zur After-Show-Party kamen die vier trotz der Enttäuschung, und in der Live-Schaltung nach Deutschland lobten sie sogar die tolle Stimmung in Belgrad. Aber ein Blick in ihre versteinerten Mienen sprach Bände, und Lucy versuchte auch gar nicht erst, etwas schönzureden: "Das Ergebnis ist sehr, sehr schockierend für uns."

Hand aufs Herz: Niemand hatte wirklich erwartet, dass sie ihr Song "Disappear" zum Sieg tragen würde. Das eher balladesk angehauchte Lied taugt einfach nicht für eine mitreißende Bühnenshow, und Ohrwurm-Charakter kann man ihm auch nur schwer attestieren.

Aber der letzte Platz? Den hätte man eher anderen schrägen Teilnehmern gegönnt: Zum Beispiel der albernen Truppe aus Lettland, die ihren Piraten-Song in schlechten Kostümen schwankend zum Besten gab. Ergebnis: Platz elf.

Eher zum Gruseln war auch der Auftritt der Schwedin Charlotte Perrelli - weniger wegen ihres Titels, als wegen ihres maskenhaften Gesichtsausdrucks, der auf den exzessiven Einsatz des Skalpells beim Schönheitschirurgen schließen ließ.

Dass am Ende wieder fast ausschließlich osteuropäische Staaten in der oberen Hälfte auftauchten, überrascht niemanden mehr. Die gegenseitigen Liebesbeweise im ehemaligen Ostblock sind wir ja schon gewöhnt.

Ganz unverdient war der Sieg des Russen Dima Bilan aber nicht. Sein Schmuse-Pop-Song "Believe" ging leicht ins Ohr und wurde professionell auf die Bühne gebracht: Barfuß und mit nackter Brust unter dem offenen Hemd dürfte er vor allem bei Frauen reichlich Stimmen gesammelt haben.

Begleitet wurde er von einem Geiger auf einer Stradivari, und derjenige, der auf Schlittschuhen wilde Pirouetten um ihn herum drehte, war kein geringerer als Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko.

Regierungschef Wladimir Putin ließ es sich natürlich nicht nehmen, den Sieg gleich anschließend in einen "Triumph für Russland" umzudeuten. In diesem Stil wird er sicher auch dafür sorgen, dass das Finale im nächsten Jahr in Moskau zu einer gigantischen Show wird.

Ob wir das allerdings nochmal live erleben, ist noch nicht sicher. Bei der ARD gibt es nach den mehrfachen Blamagen in den vergangenen Jahren angeblich Überlegungen, den Sendeplatz mit volkstümlichen Angeboten zu füllen.

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