Fahrer mit Nerven aus Stahl

Groß, schwerfällig, unbeliebt: Lastwagen gelten oft als rollende Verkehrshindernisse. Die Arbeit am Steuer ist ein Knochenjob.

Düsseldorf. Michael Traut (47) ist ein robuster Typ: stämmig gebaut, markante Stimme, stoisch wie eine Buddha-Figur. Genau die richtigen Eigenschaften, um einen 40-Tonner-Lastwagen mit 15,5 Metern Länge einwandfrei zu steuern. Wer einen solchen Koloss fährt, benötigt Nerven aus Stahl. Stress-Situationen gibt’s zuhauf: Die Fahrt durch die Nadelöhre im Stadtverkehr gleicht mit dem breiten Gefährt einem gehobenen Parcours-Ritt. Und der Trip über die Autobahn verlangt nach der Kondition einer Duracell-Batterie: Im Schneckentempo müssen die eintönigsten Routen abgefahren werden, Stunden über Stunden. Traut sagt: "Lkw-Fahren ist ein Knochenjob."

Um die Öffentlichkeit für die Fährnisse dieses Berufs zu sensibilisieren, haben die Düsseldorfer Autobahnpolizei und die Straßenverkehrsgenossenschaft (SVG) Bürger eingeladen, auf den Bock zu steigen und Lkw-Fahrer auf einer Spritztour zu begleiten. Traut, hauptberuflich Leiter der Brummi-Fahrschule am SVG-Autohof in Düsseldorf-Reisholz, ist einer der Trucker, die bei der Aktion "Fair mal mit" mitmachen. Er sitzt hinter dem Lenker, schleust seinen 95000 Euro teuren "MAN TGX" durch die Düsseldorfer Stadtteile Wersten und Benrath, über Engpässe wie die Kölner Landstraße. An seiner Seite sitzen zwei Autofahrer, die den Verkehr aus der Perspektive eines Lkw-Fahrers erleben wollen: Detlef Boden (61) und Ursula Lövenich (70). Beide sagen, dass sie mehr Verständnis für Lkw-Fahrer entwickeln wollen.

Traut blickt immer wieder mit zuckenden Augen in die Außenspiegel, insgesamt sieben an der Zahl. Trotz des Spiegelkabinetts ist es unmöglich, sich ein komplettes Bild vom Verkehr hinter seinem Rücken zu machen - der Lastzug ist einfach zu lang und schwenkt in Kurven zu stark zur Seite aus, als dass ein Gesamtüberblick möglich wäre.

Beispiel Kreisverkehr: Traut schafft es noch so gerade, seinen Giganten in die schmalen Fahrbahn einzufädeln, ohne gegen die Leitplanke zu prallen. Für einen Radfahrer im seitlichen Schatten des Trucks wäre allerdings kaum Platz mehr auf der Straße. Schlimmegr noch: Das Risiko ist groß, dass er im toten Winkel verschwinden würde. Da erhält die Redewendung "die Kurve kratzen" eine ganz neue Bedeutung. "Eine lebensgefährliche Situation", kommentiert Traut.

Lkw-Fahrer genießen nicht den besten Ruf: Sie liefern sich Elefantenrennen auf betriebsamen Autobahnen und versperren Autofahrern die Durchfahrt. Sie wirken manchmal unkonzentriert, können im Extremfall hinterm Steuer vor Müdigkeit kaum die Augen aufhalten.

Die Autofahrerin Ursula Lövenich erinnert sich, einen Lkw-Fahrer im Fahrerhäuschen bei der Zeitungslektüre erwischt zu haben. "Pkw-Fahrer meckern viel über Lastwagenfahrer", räumt Wolfgang Närdemann von der Düsseldorfer Autobahnpolizei ein. "Der Ton zwischen den beiden Gruppen ist in den letzten Jahren rauer geworden."

Traut, der Lkw-Vollprofi, kann das bestätigen. Und er gibt zu: "Natürlich gibt es schwarze Schafe in diesem Beruf." Speditionen etwa, die ihre Fahrer einem unmenschlichen Termindruck aussetzen. Aber zugleich will er um Nachsicht werben für seine Kollegen. "Viele Autofahrer machen sich nicht bewusst, wie schwierig manche Verkehrssituationen zu bewältigen sind."

Unterdessen steuert Traut seinen Wagen auf die A 46 Richtung Wuppertal. Schwerfällig wechselt der Straßengigant vom Beschleunigungsstreifen auf die Fahrbahn. Das Tempo: 89 Kilometer, die gerade noch tolerierte Maximalgeschwindigkeit. Dennoch zu langsam für viele Autofahrer. Traut merkt schon: "Die ersten Leute hinter mir werden hibbelig."

Wie gesagt: Gute Nerven sollten zur Grundausstattung eines Truckers gehören.

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