Die Hochzeit — Wahnsinn in Weiß

Feierlichkeiten werden opulenter, Paare investieren fünfstellige Beträge in den hoffentlich schönsten Tag ihres Lebens.

Die Hochzeit — Wahnsinn in Weiß
Foto: dpa

Düsseldorf. Zarte pastellfarbene Zuckerblüten ziehen sich an der schneeweißen Hochzeitstorte empor. Fast wie echte Pfingstrosen sehen die Dekoblumen der Tortenmanufaktur Vintage Cakes aus Langenfeld aus, die Mitarbeiterin Darlyn Magnaye in mühevoller Handarbeit angefertigt hat. Solche üppigen Fondant-Torten sind teuer: Kleinere kosten ab 500 Euro, große bis zu 2000 Euro. Der Preis hat angezogen in den vergangenen Jahren: „Früher waren schon 100 Euro viel“, sagt Magnaye.

Die Hochzeit — in den Wunschträumen der schönste Tag im Leben — ist zugleich eine teure Sache, an der immer mehr Firmen gut verdienen. Floristen, Juweliere, Fotografen, Caterer, Schneider, Locations, Musiker und sogar Zauberer — sie alle buhlen um die Gunst der angehenden Bräute, Ehemänner, Mütter und Freundinnen. Konkrete Branchenzahlen gibt es nicht, manche Schätzungen nennen jedoch einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Seit wenigen Jahren nimmt die Zahl der Eheschließungen in Deutschland wieder leicht zu: Im Jahr 2016 gaben sich 410 000 Paare das Ja-Wort. Branchenkenner sind sich sicher: Der Markt wächst. Auf unzähligen Messen bundesweit bieten lokale Anbieter ihre Dienste an — wie kürzlich auf der „Trau Dich!“, die mit rund 150 Ausstellern in Düsseldorf Halt machte.

Warum die Branche boomt? „Trau Dich!“-Koordinator Ralf Schulze hat eine klare Antwort: Die Verliebten greifen tiefer in die Tasche. „Früher vermutete man, dass im Schnitt 10 000 Euro für die Hochzeitsfeier ausgegeben wurden.“ Im Herbst ermittelte sein Team einen Schnitt von etwa 14 600 Euro unter den Besuchern — Tendenz steigend“. Und nicht nur finanziell, auch zeitlich wird es aufwendiger: Früher habe man nur etwa ein halbes Jahr vor dem Fest mit den Planungen begonnen, heute seien ein- bis eineinhalb Jahre keine Seltenheit, sondern eher die Regel.

Noch mehr Zeit nehmen sich Laura Auf der Heiden und ihr Verlobter Morten Eichhorn: Im September 2019 will das junge Paar mit rund 100 Gästen in Bottrop feiern. „Wir gucken, was an Kosten zusammenkommt“, sagt der 25-Jährige. Seine Verlobte fügt hinzu, sie rechneten mit etwa 30 000 Euro. Rund die Hälfte kostet die Location inklusive Verköstigung. „Am wichtigsten ist uns, dass sich die Gäste superwohl fühlen und auch nicht langweilen.“

„Es gibt mittlerweile viele Dienstleister, die es früher nicht gab“, bestätigt der Hochzeitsplaner und Autor Frank Mattheé. Seit mehr als 15 Jahren führt der 50-Jährige die Berliner Hochzeitsagentur „White“. Fotoboxen, Tauben, Feuerwerke, DJ-Sets und Foodtrucks — sogar „Papeterie-Designer“ werden beauftragt, etwa für Einladungskarten und Tischkärtchen. „Definitiv werden die Hochzeiten immer mehr zu einem Event, das heißt also Erlebnis, das etwas kosten darf.“ Die Feiern würden immer persönlicher und individueller, sagt Matthée. Die Paare versuchten, „sich selbst zu verwirklichen“.

Das beobachtet auch Jens Peter Iven, Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland. Da werde überlegt, ob Standesamtsgebäude chic genug für die Trauungszeremonie sind oder „die Kirche etwas her mache“, sagt er und berichtet von einer Zeremonie mit sage und schreibe fünf Profi-Fotografen. „Die Inszenierung drumherum gewinnt die Oberhand — das ist schade.“ Die Brautleute brächten sich „ums Wesentliche, was man in einer Kirche erleben kann“.

Der Einfluss von Reality-TV und Internet trägt offenbar dazu bei, dass der berechtigte Wunsch nach einem festlichen Hochzeitstag bei manchen Paaren ausartet. Kritische Betrachter sehen die Paare dann nahe am Hochzeitswahnsinn.

Von vermeintlich perfekten Bildern anderer Paare im Internet etwa auf Pinterest oder Instagram ließen sich viele beeinflussen, sagt Friederike Mauritz, Gründungsinitiatorin vom Bund deutscher Hochzeitsplaner. Die Location werde immer wichtiger und „die Deko verschlingt heute viele, viele tausende Euro“. Einige Kunden, erzählt auch die Floristin Heike Seijsener-Ritter, kämen bereits mit Fotos des gewünschten Blumenschmucks in ihren Düsseldorfer Laden Flowers & Emotions.

Für die gewünschte Optik seien die Menschen dann auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, erklärt Mauritz. Was es im Internet zu sehen gebe, „ist nicht für 10 000 Euro zu haben“. Die meisten würden dafür dann eher zwischen 20 000 und 30 000 Euro ausgeben.

Zwischen all den Herzchen, Glitzerkleidern, Törtchen und Seifenblasen denkt die junge Braut Laura Auf der Heiden an die Hochzeitsfeier ihrer Eltern. Die sei noch viel einfacher, konservativer gewesen, sagt sie. „Da haben Freunde noch Salate mitgebracht.“

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