„Barbaren“ folterten Ilan zu Tode

In Paris stehen ein 28-Jähriger und seine 26 Helfer vor Gericht. Die Bande soll einen 23-jährigen Telefon-Verkäufer entführt und gequält haben – weil er Jude war.

Paris. Antisemitische Klischees kosteten Ilan Halimi das Leben. "Juden sind reich und halten zusammen. Kann einer nicht zahlen, springen die anderen ein" - mit diesen Sätzen hatte Ilans Kerkermeister Youssouf Fofana (heute 28) seine Bande auf sein Opfer gehetzt. 24 Tage lang soll die Gang aus einer Pariser Vorstadt den jungen Telefon-Verkäufer mit einem Monatsgehalt von 1200 Euro gefoltert haben, um 450 000 Euro Lösegeld von seiner Familie zu erpressen, ehe sie ihn schwerst verletzt, nackt und mit Brandwunden übersät, an einem Bahndamm ablegte.

Noch auf dem Weg ins Krankenhaus erlag er, gerade 23-jährig, seinen Verletzungen. Mittwoch, gut drei Jahre nach der Tat, begann der Prozess gegen Fofana und seine 26 Helfer - die "Bande der Babaren", wie sich selbst nannten.

Im Februar 2006 hatte dieses Verbrechen Frankreich zutiefst bestürzt. Bis hin zum damaligen Präsidenten Jacques Chirac reagierte Frankreichs Öffentlichkeit entsetzt und wütend, dass Ilan zum Opfer wurde, nur weil er Jude war. Allein in Paris demonstrierten nach Ilans Tod 100 000 Menschen.

Von einem "Schmelztiegel aus Dummheit und Hass" sprachen derweil die Polizisten, die Fofanas Bande nach der Tat hochgennommen hatten. In der Vorstadt im Pariser Westen war er, der mehrfach Vorbestrafte, ein kleiner König. Sein Wort war Gesetz. Charmant und brutal hatte Fofana keine Mühe, immer neue Mitglieder für seine Gang zu rekrutieren.

Die Idee, einen Juden zu kidnappen, um Lösegeld zu erpressen, sei ihm schon im Gefängnis kommen, hatte er bei seinen Vernehmungen eingeräumt. Trotz wachsender Skrupel angesichts der Brutalitäten, denen Ilan in seinem feuchten und eiskalten Kellerverlies zunehmend ausgesetzt war, wagte niemand aus der Bande, den Aufenthaltsort zu verraten, der Polizei einen Tipp zu geben. Man schwieg und unterwarf sich dem Gesetz des Gettos, das nach eigenen Regeln lebt.

Der Antisemitismus, ohnehin virulent in vielen französischen Vorstädten, war nach Ansicht des Soziologen Didier Lapeyronnie überdies "der Zement der Gruppe". Fofana lässt sich aus Bewunderung für El-Kaida-Chef Osama bin Laden gern "Ossama" oder einfach knapp "Le Boss" nennen.

Fast 30 Anwälte, die vor seiner Arroganz kapitulierten, hat er inzwischen verschlissen. Vor Gericht vertritt ihn jetzt ausgerechnet Isabelle Coutan-Peyre, die Gattin des lebenslang inhaftierten Terroristen Carlos, die sich in den Pariser Gerichtssälen zunehmend als Verteidigerin islamischer Fanatiker einen gewissen Ruf schafft.

Fofanas Überheblichkeit bekam zum Prozessauftakt auch die Kammervorsitzende zu spüren. "Allah wird siegen", rief er provozierend in den Saal. Einen Bart hat er sich wachsen lassen und den Schädel rasiert. Als Geburtsdatum gibt Fofana, dessen Familie von der Elfenbeinküste stammt, den 13. Februar 2006 an - Ilans Todestag.

Für Ilans Mutter Ruth und seine beiden Schwestern, die im Gerichtssaal sitzen, ist dieser Auftritt nur schwer zu ertragen. Unbehaglich rutschen derweil die Komplizen, junge Männer und Frauen zwischen 21 und 35 Jahren auf den Anklagebänken herum.

Aufgewachsen sind sie alle in der selben Siedlung, waren damals Studenten oder Schüler, schlugen sich als Pizza-Auslieferer, Chauffeure oder Klein-Dealer durchs Leben. Ihnen drohen jetzt lange Haftstrafen, zwischen 15 Jahren und lebenslang. Islamische Tiraden sind von ihnen nicht zu hören.

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