Lokomotivführer - Vom Traumberuf ist nicht mehr viel übrig

Geringes Gehalt, viele Sonderschichten und kaum Freizeit: Der Bahn und ihren Mitbewerbern gehen die Lokführer aus, Nachwuchs wird dringend gesucht.

Lokomotivführer - Vom Traumberuf ist nicht mehr viel übrig
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Düsseldorf. Lokomotivführer verzweifelt gesucht: In kaum einem Beruf ist die Vakanzzeit mit derzeit 132 Tagen so groß wie bei Lokführern. Die Folge: Fahrten müssen gestrichen werden — so wie zuletzt bei der Cantus-Bahn in Nordhessen, Südniedersachsen und Thüringen. Den Personalbedarf zu decken, fällt vielen Verkehrsunternehmen daher schwer. Während der Job früher als Traumberuf galt, werden Fahrer für Bahnen mittlerweile händeringend gesucht.

In Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland werden zurzeit rund 29 000 Lokführer beschäftigt. Immerhin: Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich laut einer im Dezember veröffentlichten Marktuntersuchung der Bundesnetzagentur die Zahl der Vollzeitstellen um 2000 Fahrer erhöht. Die Untersuchung zeigt jedoch auch, dass 51 Prozent der Unternehmen große Schwierigkeiten haben, vakante Lokführerstellen zu besetzen. Der Lokführer-Mangel macht auch nicht vor den Verkehrsunternehmen in NRW halt, auch wenn sich die Lage in Süddeutschland offenkundig wesentlich dramatischer darstellt.

Zwar sei die Einstellungsbilanz der Bahn (DB) relativ ausgeglichen — bis jetzt konnten laut Bahn stets alle ausgeschriebenen Lokführer-Stellen in NRW besetzt werden — dennoch spüre das Unternehmen den Konkurrenzdruck um den Nachwuchs. „Der Arbeitsmarkt ist eine Herausforderung. Aber das gilt nicht nur für Lokführer, sondern auch für Elektroniker, Fahrdienstleiter, Ingenieure oder IT-Experten“, sagt ein Bahnsprecher. Die Bahn müsse sich anstrengen und mit guten Argumenten überzeugen. Seit dem 1. Januar können Lokführer beispielsweise zwischen einer 38- und einer 39-Stunden-Woche wählen. Bei letzterer erhalten sie 2,6 Prozent mehr Gehalt oder sechs Tage zusätzlichen Erholungsurlaub.

Im vergangenen Jahr hat die Bahn bundesweit 700 Lokführer mehr eingestellt, hinzu kamen rund 400 Lokführer-Azubis. Die Ausbildung zum Lokführer sei nach wie vor einer der beliebtesten Ausbildungsberufe bei der Bahn mit jährlich rund 1000 Azubis über alle Ausbildungsjahre hinweg.

Lokführer müssen belastbar sein, Über- und Sonderschichten in Kauf nehmen: Mittlerweile ist es daher nicht mehr so einfach, Menschen zur Bahn zu locken. Das macht sich auch bei Keolis Deutschland mit Firmensitz in Düsseldorf bemerkbar. Der Eurobahn-Betreiber wirbt verstärkt in NRW für seine Qualifizierungskurse — sieben speziell für Lokführer. Keolis fehlt laut einer Sprecherin eine Reserve, weshalb es unter anderem zu krankheitsbedingten Zugausfällen bei der Eurobahn kommen könne. Ziel sei es, bis Ende 2019 mehr als 200 neue Lokführer einzustellen. Im Schnitt verdient ein Lokführer im Jahr zwischen 38 000 und 45 000 Euro inklusive Zulagen und Weihnachtsgeld. Ein Azubi bekommt, je nach Lehrjahr, zwischen 881 und 1 080 Euro im Monat.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Allianz pro Schiene vor fünf Jahren das Portal „Schienenjobs.de“ auf den Weg gebracht. Die Plattform bietet eine Übersicht über Ausbildungsberufe und vakante Stellen. Derzeit sind auf der Seite mehr als 7000 offene Stellen zu finden, über 100 davon für Lokführer. „Vor allem Akademiker wissen gar nicht, wie vielfältig die Branche ist“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene. Größere Erfolge kann das Portal bereits verzeichnen.

Vor kurzem wurde ein Lokführer an die Schweizerische Bundesbahnen GmbH Deutschland vermittelt. „Der Bewerber war ursprünglich Lkw-Fahrer und hat davon geträumt, Lokführer zu werden. Er wird jetzt in Duisburg ausgebildet“, berichtet Flege, der viele solche Quereinsteiger wie etwa ehemalige Zeitsoldaten kennt.

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