Steuersparmodell Ennepetal: Firmenspenden statt höherer Steuern

Ennepetal verzichtet auf eine Anhebung der Gewerbesteuer, die Unternehmen wollen stattdessen 3,5 Millionen Euro spenden. Eine Steuerexpertin sieht das Modell sehr kritisch.

Steuersparmodell: Ennepetal: Firmenspenden statt höherer Steuern
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Ennepetal/Duisburg. Die Stadt verzichtet auf eine eigentlich geplante Gewerbesteuererhöhung, um den ortsansässigen Unternehmen Gutes zu tun. Die Unternehmenslenker wiederum bedanken sich mit der Zusage, eben jenen Betrag, den sie ansonsten aufgrund der gestiegenen Steuer hätten bezahlen müssen, per Spende an die Stadt zu bezahlen. Alle sind zufrieden. Das ist kein theoretischer Fall, sondern eben das passiert derzeit in der Stadt Ennepetal. Ein Vorbild für andere Kommunen. Wo ist der Haken an der Sache?

Christoph Brünger, zuständig für Standortpolitik bei der bestens mit dem Projekt vertrauten Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer Hagen (SIHK), betont, dass man vorher auch die Kommunalaufsicht gefragt und keine Einwände erfahren habe. Nun dürfte ein wesentlicher Antrieb dieser Idee aus Unternehmenssicht der Gedanke des Steuersparens sein.

Ute Schmiel, Professorin für Unternehmensbesteuerung an der Universität Duisburg-Essen, erklärt: „Anders als die Gewerbesteuer, die die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht mindert, können die Unternehmen eine Spende bis zu einem bestimmten Betrag sehr wohl bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer steuermindernd abziehen. Das geht dann zu Lasten von Bund und Land.“

Ist das, was Gemeinde und Unternehmen da einvernehmlich regeln, also ein Vertrag zu Lasten Dritter? Brünger gibt zu, dass man nie verschwiegen habe, dass es kein Verfahren zur Geldvermehrung sei. Allerdings sei etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sehr wohl über das Verfahren informiert. In einem Beitrag für die jüngste SIHK-Jahresveranstaltung schrieb der Bundesfinanzminister: „Die Idee, dass Rat und Verwaltung der Stadt Ennepetal in den jährlichen Haushaltsplanberatungen freiwillige städtische Leistungen identifizieren, die durch Spendenzusagen von Unternehmen finanziert werden können, ist ein überlegenswerter Ansatz.“ Doch würde er weiter so sprechen, wenn das Beispiel Ennepetal Schule macht und kalkulierte Steuereinnahmen wegbrechen?

Professorin Schmiel hat darüber hinaus aus einer gesellschaftlichen Perspektive weitere Bedenken. Das Verfahren stehe im Widerspruch zu den Regeln der Marktwirtschaft: Wirtschaftssubjekte hätten durchaus in einer Marktwirtschaftsordnung die Freiheit, ihren eigenen Vorteil anzustreben, sofern sie die gesetzlichen und außergesetzlichen Regeln einhalten. Abgesehen von der Steuerzahlung seien sie daher weitgehend davon entlastet, unmittelbar das Gemeinwohl zu verfolgen. Schmiel zieht daraus aber diese Konsequenz: „Die Steuerzahlung ist der Preis dafür, dass man nach seinem eigenen Vorteil streben darf. Die Finanzierung öffentlicher Güter durch Steuern ist damit eine Verpflichtung von Unternehmen in ihrem Kerngeschäft und keine freiwillige Leistung.“

Man könne die Gewerbesteuer zwar mit guten Argumenten kritisieren. Eine Änderung dieser Regeln müsse jedoch auf demokratisch legitimierten Weg erfolgen.

Schmiel kritisiert auch, dass es zu einer nicht ausgewogenen Lastenverteilung kommen könne: „Die Steuerlastverteilung orientiert sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die beispielsweise über Gewinn oder Einkommen gemessen wird. Dies gilt grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer.“ Im Hinblick auf die Spende sei eine gleichmäßige, an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte Lastenverteilung hingegen nicht gewährleistet. Schmiel erklärt das so: „Häufig bestehen zwischen Unternehmen Macht-Abhängigkeits-Beziehungen. Damit ist durchaus denkbar, dass diese und nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Höhe des Spendenbeitrags bestimmen.“

Schließlich seien auch die mit der Spende verbundenen Reputationsgewinne nicht gleichmäßig verteilt. Große Spenden werden mit höheren Reputationsgewinnen verbunden sein als kleinere Beträge, auch wenn diese für den Spender im Verhältnis zum Gewinn durchaus gleich belastend sein können. Außerdem könnten größere Unternehmen ihre Spende wahrscheinlich öffentlichkeitswirksamer vermarkten.

Nicht zuletzt stellt sich die Unternehmensteuer-Expertin die Frage, ob das Ennepetaler Modell nicht eher eine private Einflussnahme auf öffentlich zu finanzierende Güter ermöglicht, als dies im Rahmen der Gewerbesteuer der Fall ist. „Auf die Gewerbesteuer hat die Kommune einen Anspruch, auf die Spende hingegen nicht.“

Einen solchen Einfluss darauf, welche Projekte unterstützt werden und welche nicht, sieht Christoph Brünger von der Industrie- und Handelskammer so nicht: „Die finanzielle Hoheit, das Heft des Handelns bleibt bei der Kommune.“ Man könne zwar Vorstellungen und Wünsche formulieren, entschieden werde aber politisch.

Schmiel sieht indes auch ein fiskalisches Problem bei der Sache: „Was passiert, wenn bei der Finanzierung der definierten Projekte eine Lücke bleibt? Wenn ein paar Großspender etwa schon viel, aber nicht genügend Geld zusammengebracht haben — wird man dann tatsächlich noch eine Steuer erheben, die ja dann auch diese Großspender trifft?“

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